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Thema: Gabe von Heparin bei Marcumar-Therapiebeginn

  1. #1
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    Gabe von Heparin bei Marcumar-Therapiebeginn

    Sehr geehrter Dr. Brüggmann,

    Bei Phenprocoumon-Therapiebeginn wird zusätzlich Heparin gespritzt. Die Gründe dafür sind sicher allseits bekannt.
    Nun habe ich eine Patientin in der Apotheke, die neu eingestellt werden soll und auf meinen Hinweis, sie solle an die Spritzen denken, sagt, sie hätte keine.
    Ich habe mit der Ärztin keine Rücksprache gehalten, weil mir die Patientin glaubhaft versicherte, sie habe bereits mit Frau Doktor darüber gesprochen und diese habe gesagt, es sei nicht nötig, da die Patientin keine Risikopatientin sei.

    Ist dies tatsächlich so oder erhöht sich zwangsläufig auch bei einem "gesunden" Patienten das Thromboserisiko bei Therapiebeginn signifikant, so dass hier schon beinahe von einem Kunstfehler gesprochen werden kann?

    Mit kollegialen Grüßen
    Johannes Lütsch, Apotheker

  2. #2
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Jörg Brüggmann
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    Parallele Gabe von Heparin + Phenprocoumon insbesondere beim "Bridging"

    In Deutschland gibt es ca. 8-900.000 Patienten, die unter oraler Antikoagulation (OAK) mit Vitamin-K-Antagonisten stehen (>65 Jahre jeder 20ste); Hauptindikationen sind: VHF, TBVT/LE, mechan. Herzklappe.
    Vor Interventionen sind eine Pausierung der OAK und eine Umstellung auf Heparin (UFH, NMH) erforderlich.
    Während dieser kurzen Phase "Bridging" genannt werden beide Präparate parallel gegeben. Hierfür
    existieren in Abhängikeit vom NMH genaue Umstellungspläne.

    Die Einstellung mit Phenprocoumon kann auch ohne Gabe von Heparin sc erfolgen. Die Initialdosierung
    ist höher aber bedingt durch den Wirkungsmechanismus (Hemmung der hepatischen Vit-K abhängigen
    Synthese der gerinnungsfaktoren) setzt die Wirkung verzögert ein.

  3. #3
    Moderatorin Avatar von Maike Noah
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    Hallo Dr. Brüggmann,

    Zitat Zitat von Johannes Lütsch Beitrag anzeigen
    Bei Phenprocoumon-Therapiebeginn wird zusätzlich Heparin gespritzt. Die Gründe dafür sind sicher allseits bekannt.
    Gemeint ist hier sicherlich, dass nicht nur die Faktoren II, VII, IX und X gehemmt werden, sondern auch die Plasmaproteine C und S.


    Zitat Zitat von Johannes Lütsch Beitrag anzeigen
    ... oder erhöht sich zwangsläufig auch bei einem "gesunden" Patienten das Thromboserisiko bei Therapiebeginn signifikant, so dass hier schon beinahe von einem Kunstfehler gesprochen werden kann?
    Dr. Heuer lehrt in Mainz klinische Pharmazie und hatte in seiner Vorlesung auf die Notwendigkeit einer anfänglichen Gabe von Heparinspitzen hingewiesen. Der Grund dafür liegt in der kürzeren Plasmahalbwertszeit der Plasmaproteine C und S, so dass nach deren Bildungshemmung die Wirkung der Faktoren II, VII, IX und X (mit längerer Halbwertszeit) viel stärker zum Tragen kommt -> Thrombosegefahr

    Aber: ist das bei einem "gesunden Patienten", wie Herr Lütsch es nennt, auch problematisch?

    Wünsche einen schönen Feierabend.
    Maike Noah
    Maike Noah, Apothekerin

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  4. #4
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Jörg Brüggmann
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    Vielen Dank für die klärende Nachfrage.

    Grundsätzlich liegt die Bedeutung der Heparingabe (heute i.d. Regel niedermolekulares Heparin = NMH) in der sofort vorhandenen Wirkung. Regelhaft besteht die klinische Notwendigkeit einen sofortigen antithrombotischen Effekt zu induzieren (z.B. Vorhofflimmern). Dieses kann durch die orale Gabe von
    Phenprocoummon (OAK) als Hemmstoff der Synthese von Gerinnungsfaktoren nicht realisiert werden.
    Damit ist die initiale parallele Gabe von Heparin und OAK notwendig und sinnvoll, wenn einer rascher antithrombotischer Effekt angezeigt ist (z.B. auch Postinfarkt-Therapie)
    Der beschriebene Effekt einer initialen erhöhten Thromboseneigung durch unterschiedliche HWZ der
    Gerinnungsfaktoren (klinisch auch als "Marcumarnekrose" bezeichnet, Inzidenz < 0,1%) ist ein zusätzlicher Aspekt, der grundsätzlich vorhanden ist aber insbesondere bei angeborenem Protein-C und S-Mangel sowie bei Frauen und Adipositas klinisch relevant wird.
    Nochmals, klinisch entscheidend für die kombinierte Gabe ist die Frage/Notwendigkeit für einen sofortigen
    antithrombotischen Effekt. Zur Beurteilung des beschriebenen Falls ist somit die Indikation erforderlich.

  5. #5
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    ...also sterben manche Ratten, die mit Supercumarinen vergiftet werden nicht am Verbluten sondern vielleicht an Thromben??
    Sehr interessant.

    Susanne

  6. #6
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    Wirklich interessant, da habe ich gleich noch ein paar weitere Fragen:

    Wie lange wäre eine parallele Gabe von Heparin und Phenprocoumon notwendig?
    Ist während dessen eine besonders häufige Blutbildkontrolle notwendig?
    Wie oft muss ein Marcoumar°- (Phenprocoumon) Patient zum sog. >Quick-Test<?

    Vielen Dank im Voraus! Arnika

  7. #7
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Jörg Brüggmann
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    Zur Überbrückung der oralen Therpaie mit dem Antikoagulans Phenprocoumon bei interventionellen Eingriffen werden aufgund der im Rahmen der Anästhesie nicht möglichen oralen Gabe und der besseren Steuerbarkeit als s.c. zu applizierendes Antikoagulans Niedermolekulare Heparine gegeben. Aufgrund des Wirkungsmech. von Phenprocoumon (Hemmung der heaptischen synthese von Gerinnungsfaktoren) und dem damit verbundenen zeitverzögerten Wirkung ist ein sog. Bridging notwendig:

    Phenprocoumon 4-7 Tage vor der Op absetzen In der Regel nach 2 tagen INR-Kontrolle Ziel Beginn mit der sc Gabe von NMH

    und umgekehrt nach der Operation erneute Umstellung auf die orale AK.

    s. Abb. Word Datei.


    Mit freundlichen Grüßen

    J. Brüggmann
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