Bindungskräfte

[Sonja Neymand]

Hallo lieber Kompetenz-Manager,

zwar hat hier noch keiner eine frage eingestellt, aber da will ich jetzt trotzdem mal der erste sein.
Ich lerne gerade Medizinische Chemie und kapiere nicht wirklich den Unterschied bei der Struktur-Wirkungsbeziehung zwischen VAn-der-Waals-WW und Hydrophoben WW. Ich dachte früher immer das sein quasi dasselbe! Nach meinen Unterlagen scheint es aber etwas anderes zu sein ..! Nach den Energiedaten auch unterschiedlich und Wasser soll hier der entscheidende Einfluss sein...!? - aber was bittschön hat ausgerechnet Wasser mit hydrophoben WW zu tun..????

Freu mich auf eine schnelle, klärende Antwort.

und vielen dnak schon mal für Euren tollen Service..! So was häts schon früher geben müssen - jetzt ist mein Studium fast fettich.

[Dr. Christoph Behrendt]

Liebe Frau Neymand,

schön, dass Sie den Anfang machen! :-)
Ihre Frage will ich gerne beantworten:
1. der hydrophobe Effekt (nicht: hydrophobe Kraft) oder auch hydrophobe WW kommt durch Zusammenlagerung von unpolaren Molekülen in wässriger Lösung zustande. Aufgrund der Unfähigkeit der Wassermoleküle, die sich in unmittelbarer Nähe zu den unpolaren Teilchen (z.B. langer Alkylrest) befinden, Wasserstoffbrücken zu den lipophilen Teilchen einzugehen, befinden sich diese Wassermoleküle stärker geordnet als es in der "freien Wasserphase" der Fall wäre. Das bedeutet auch, dass die Entropie des Systems ungünstig ist. Lagern sich stattdessen die lipophilen Teile zusammen (denken sie an Phospholipiddoppelmembranen, Micellen oder dass sich lipophile Bereiche eines Proteins bevorzug nach innen falten) wird die Oberfläche zum umgebenen Wasser verringert und die angesprochenen Wassermoleküle "befreit", können sich wieder freier bewegen und die Entropie des Systems steigt an! (Nebenbei steigt auch die Enthalpie, weil die freigesetzten Wassermoleküle mit anderen Wassermolekülen mehr Wechselwirkungen eingehen können.)

2. Van-der-Waals-Wechselwirkungen sind echte polare, nicht-kovalente Wechselwirkungen, die durch das Coloumbsche Gesetz beschrieben werden können. Dabei ist zu beachten, dass der Abstand der Bindungspartner zueinander eine große Rolle spielt (in der Coloumbschen Gleichung geht der Abstandradius mit der sechsten Potenz ein!). Zwei lange lineare, unpolare Alkylketten beispielsweise, die sich nahe aneinander anlagern, induzieren sich gegenseitig Dipole und ziehen sich dadurch polar an. Aufgrund der geringen EN-Differenz zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff ist der Dipol zwar schwach ausgeprägt, aber durch die ständige Bewegung der Valenzelektronen gibt es kurzzeitige Dipole, die zu einer Anziehung zwischen C(delta-)-H(delta+)-C(delta-) führen. Es herrschen somit schwache Anziehungskräfte (auch London-Kräfte genannt) zwischen den Bindungspartnern, die im einzelnen nicht besonders groß sind. Aber sie sollten bedenken, dass zwischen zwei linearen Alkylketten viele einzelne Van-der-Waals-Wechselwirkungen stattfinden, was in der Summe erheblich sein kann! Deshalb steigen die Siedepunkte in der Reihe der Alkane auch mit längerer Kettenlänge, aber mit höherem Verzweigungsgrad (weniger Zusammenlagerung möglich!)

Bezogen auf die Interaktion zwischen lipophilem Wirkstoff und lipophiler Proteinstruktur (z.B. Valin- oder Leucinreste):
Wirkstoff und Protein sind in wässriger Phase gezwungenermaßen mit losen Wassermolekülen assoziiert.
Legen sie sich zusammen und werden die Wassermoleküle an Ihnen nun freigesetzt, steigt die Entropie und der Bindungsvorgang ist entropisch begünstigt!
Passen Wirkstoff und Protein auch noch optimal (wie Schlüssel und Schloss) zusammen, können sich bei nahem Zusammenkommen durch gegenseitig induzierte Dipole polare Wechselwirkungen ausbilden, was den Bindungsvorgang zusätzlich enthalpisch begünstigt!
Sie sehen, es treten häufig beide Wechselwirkungen auf, wobei ein feiner Unterschied besteht.

Ich hoffe, dass ich Ihnen den Unterschied klarmachen konnte und wünsche Ihnen noch viel Spass beim Lernen. Falls noch mehr Fragen auftauchen, bitte einfach posten und ich versuche Ihnen schnellstmöglich zu antworten.
VG
Christoph Behrendt