Ergebnis 1 bis 3 von 3

Thema: Offizieller Versorgungsmangel - Konsequenzen für öffentliche Apo?

  1. #1
    Premium-User
    Registriert seit
    14.05.2014
    Beiträge
    3

    Offizieller Versorgungsmangel - Konsequenzen für öffentliche Apo?

    Hallo,

    uns würde interessieren, welche konkreten Erleichterungen sich öffentlichen Apotheken bei der Feststellung eines offizielles Versorgungsmangels durch das BMG ergeben. Kann man in diesen Fällen gegenüber bspw. einem Einzelimport auf irgendetwas verzichten? Hintergrund ist der aktuelle Lieferabriss bei Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil. Aktuell importieren wir im Bedarfsfall und holen auch eine Genehmigung bei der KK ein (obwohl es unseres Erachtens eigtl. ein Import nach §73 Abs 1 wäre, der nicht explizit genehmigt werden müsste?). Nun kam die Frage auf, ob sich für uns im Alltag etwas ändert, sollte der offizielle Versorgungsmangel ausgerufen werden. Im AMG §79 (5) steht dazu nur: "Im Falle eines Versorgungsmangels oder einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit im Sinne des Satzes 1 können die zuständigen Behörden im Einzelfall auch ein befristetes Abweichen von Erlaubnis- oder Genehmigungserfordernissen oder von anderen Verboten nach diesem Gesetz gestatten."
    Heisst das, man könnte bspw. auf die Genehmigung durch die KK verzichten?

    Danke und viele Grüße

  2. #2
    Kompetenz-Manager Avatar von Lars Frohn
    Registriert seit
    04.12.2015
    Ort
    Bonn
    Beiträge
    299
    Hallo Herr Guggemoos,

    Lange Frage und noch längere Antwort
    Ihre zweite Frage hat erstmal mit der ersten Nichts zu tun
    Zum ersten Teil der Frage: Ja, wenn ein Versorgungsmängel festgestellt wird durch das BMG, können sich daraus in der Praxis Erleichterungen. In der Praxis läuft es ja so, dass das BMG bei bestimmten Stoffen (das war z.B. in der Vergangenheit für Antibiotika-haltige AM) einen Versorgungsmangel feststellt. Verantwortlich für die Umsetzung sind die Länder und die Behörden der Länder und nicht das BMG.
    Wenn das BMG einen Versorgungsmangel in der Vergangenheit festgestellt hat, haben die Apotheken von den Behörden Informationen bekommen, dass das BMG diesen Versorgungsmängel festgestellt hat. Dann konnten die Apotheken abweichend von § 73 Absatz 3 „Einzelimport“ in gewisser Weise abweichen. Insbesondere, dass die Bestellung einer konkreten Person NICHT vorliegen musste und sich die Apotheken auch bis zu einem 4-Wochen-Vorrat bevorraten konnten.
    Völlig unabhängig ist natürlich die Frage der Kostenerstattung. Das BMG oder die Behörden haben niemals angekündigt, dass Apotheken bei einem verschreibungspflichtigen Einzelimport, auch wenn ein Versorgungsmängel festgestellt wurde, auf eine Verordnung verzichten dürfte und das schon gar nicht oder gar automatisch die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden.
    Das ist wichtig und musste auch immer sein trotz Versorgungsmangel. Aber es gab Krankenkassen, und hier vor allem die Ersatzkassen, die bis zum bis zum 31.12.2023 auf eine Genehmigung verzichtet haben bei einem Einzelimport, wenn er auf Grundlage eines vom BMG festgestellten Versorgungsmangel erfolgte.
    Bei einem Import nach § 73 Abs. 1 AM handelt es sich bei dem Import eines bereits in Deutschland (auch EU-weit) zugelassenen Arzneimittels. Es existieren für Apotheken keinerlei Erschwernisse in Hinblick auf eventuelle Prüfpflichten bezüglich der arzneimittelrechtlichen Zulässigkeit des Imports über die Frage des Bezugslandes hinaus.
    ABER: die Frage der Erstattungsfähigkeit muss mit der entsprechenden KK geklärt werden.
    Importe nach §73 Absatz 3 müssen immer genehmigt werden, da es sich um ein nicht in D (oder EU) zugelassenes AM handelt.
    Eine Erleichterung für den Import gibt es erst dann, wenn das BMG den Versorgungsmangel auch offiziell bekannt gemacht hat! Also erstmal dürften Sie sich NICHT bevorraten. Im AMG heißt es dazu, dass nur im Fall eines Versorgungsmangels oder eine bedrohliche übertragbare Krankheit können die Zuständigen im Einzelfall ein befristetes Abweichen von Erlaubnis und Genehmigungserfordernissen oder von anderen Vorboten nach diesem Gesetz.
    M.E. gibt es Stand heute noch keinen Versorgungsmängel für Truvada und letztlich hängt das dann auch vom Entscheid ab, was das BMG sagt. Dann müsste man erstmal eine Zustimmung oder ein Schreiben oder eine Vereinbarung zwischen den Krankenkassen und den Apotheken bekommen auf regionaler oder auf Bundesebene und erst dann kann man sich sicher sein, dass Sie dann keine Genehmigung mehr von der Krankenkasse benötigen.
    Alles richtig machen Sie sicher, wenn sie sich immer nur ein Einzelimport holen und nicht auf Vorrat.

    Beste Grüße.
    Apotheker (u. Dozent der Ravati Seminare im Fach "Spezielle Rechtsgebiete für Apotheker"),
    Ihr Moderator im gesamten Kompetenz-Forum und Experte in den Foren zum Thema Recht,
    Rechtlicher Hinweis: Die hier eingestellten Kommentare geben die persönliche Meinung des Beitragstellers wieder und haben keinerlei rechtsempfehlenden oder rechtsbindenen Charakter.

  3. #3
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Alexander Ravati
    Registriert seit
    15.12.2010
    Ort
    Augsburg
    Beiträge
    1.327
    Hallo zusammen,

    interessant, die hier angesprochene regelung nach § 79 Abs. 5 AMG besagt:
    "(5) Im Falle eines Versorgungsmangels der Bevölkerung mit Arzneimitteln, die zur Vorbeugung oder Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen benötigt werden, oder im Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, können die zuständigen Behörden im Einzelfall gestatten, dass Arzneimittel, die nicht zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen oder registriert sind,
    1.befristet in Verkehr gebracht werden sowie 2. abweichend von § 73 Absatz 1 in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden."


    Herr Guggenmoos geht es ja gar nicht um § 73 Abs. 3, sondern m.E.
    1. um die AM-rechtliche(!) Zulässsigkeit von § 73 Abs. 1 bei Lieferengpass (Import von EU-zugelassenen AM aus der EU) und die erweiterten Möglichkeiten nach § 79 Abs. 5 (auch Nicht(!)-EU-zugelassene AM)
    2. um die Frage wie er dann von der KK sein Geld bekommt! (andere Frage!!!)

    Frage 1: ist m.E. mit der Formulierung klar --> der Import isst unter den genannten Bedingungen zulässig (und damit keine Owi oder Strafttat)
    Frage 2: Lars --> hier habe ich (Sozialrecht!) nicht die größte Expertise --> kannst Du die Rechtvorschriften hierzu mal genauer zitieren? Wo steht die "Genehigungspflicht" und wo steht der "Verzicht auf Genehmigungspflicht"...?
    Beste Grüße, Ihr Dr. Alexander Ravati,

    Apotheker, Ihr Experte im Forum Spezielle Rechtsgebiete und Pharmazie
    Rechtlicher Hinweis: Die hier eingestellten Kommentare geben die persönliche Meinung des Beitragstellers wieder und haben keinerlei rechtsempfehlenden oder rechtsbindenen Charakter. Für eine offizielle Auskunft wenden Sie sich bitte stets an die für Sie zuständige Kammer bzw. Überwachungsbehörde

Lesezeichen

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •