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Thema: Wirkstärke und -dauer von retardiertem L-Dopa

  1. #1
    Premium-User Avatar von jhennemann
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    Wirkstärke und -dauer von retardiertem L-Dopa

    Eine Retardtablette setzt ja generell langsamer und damit gleichmäßiger Wirkstoff frei als ein nicht retardiertes Präparat.
    Ich bin früher davon ausgegangen, dass damit auch die Wirkdauer eines Retardpräparat immer länger ist als die eines nicht retardierten. Ein nicht retardiertes L-Dopa flutet schnell an und man erreicht nach ~30min einen hohen Wirkstoffspiegel im Blut. Retardiertes L-Dopa gibt langsam seinen Wirkstoff ab, dieser kann aber wegen Carriern nur in den obersten Darmabschnitten resorbiert werden. Der weiter unten freigegebene Wirkstoff hat dann ja keine Chance abgenommen zu werden... Damit müsste die Wirkdauer ja in diesem Fall vergleichbar lange und die Wirkstärke geringer sein als bei einem nicht retardierten Präparat, oder? Welchen Sinn hat denn dann die Retardierung überhaupt? Und bei welchen Wirkstoffen ist das noch so?

  2. #2
    Premium-User Avatar von Dr. Juliane Kresser
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    Halo Frau Hennemann,
    ich denke, dass grad im Falle der Parkinsonbehandlung der Einsatz von retardierten Arzneiformen mit einem speziell abgestimmten Verhältnis des L-Dopa mit dem Agonisten zu sehen ist (siehe Tabelle und Textausschnitt unterhalb). Die redardierte Form soll ja extremen, krankheitsbedingten körperlichen Einschränkungen und Schwankungen vorbeugen und da ist ausschließlich die verlängerte Wirkdauer gefordert, ggf. auch trotz eines geringen Wirkstoffverlustes durch unvollständige Resorption.
    Bei manchen Blutdruck- oder Hormonpräparaten steht dieser Aspekt vergleichbar im Vordergrund.

    Fluktuationen
    Nachtakinese
    L-Dopa-Retard vor dem Einschlafen
    langwirksame Agonisten abends
    Frühmorgendliche Akinese
    L-Dopa-Retard abends
    Langwirksamer Agonist abends
    Initialdosis L-Dopa morgens noch im Bett
    Lösliches L-Dopa morgens im Bett
    Nachmittagsakinese
    wie Eiweißakinese
    Dopaminagonisten
    Selegilin
    Lösliches L-Dopa

    www.parkinson-vereinigung.de

    Schnell wirksames L-Dopa
    L-Dopa gibt es auch in Form einer schnellwirksamen Tablette; die darin enthaltenen Wirkstoffe L-Dopa und Benserazid werden rascher freigesetzt und schneller aufgenommen als in anderen Darreichungen. Die Wirkung dieser Tablette tritt innerhalb von 30min ein. Im Vergleich zu den Standardformulierungen sind die Spitzenwerte der L-Dopa-Konzentration im Blutplasma nicht erhöht. Damit können Dyskinesien weitgehend verhindert werden.
    Ein schnellerer Wirkungseintritt kann z. B. bei frühmorgendlicher Unbeweglichkeit (Akinese) sinnvoll sein, damit der Patient morgens „rascher in Gang“ kommt. Außerdem wird die lösliche Darreichung immer dann gegeben, wenn z. B. einer Beweglichkeitsabnahme nach dem Mittagessen oder anderen unvorhersehbaren Phasen schlechter Beweglichkeit entgegengewirkt werden soll. Hilfreich ist diese Form der Medikation auch bei Schluckstörungen. Lösliches L-Dopa wird des Weiteren als pharmakologischer L-Dopa-Test zu Diagnosesicherung eingesetzt.

    L-Dopa-Retard-/Depot-Medikamente

    Durch eine besondere Tablettenzubereitung kann erreicht werden, dass L-Dopa während der Magen-Darmpassage verzögert abgegeben wird. Dadurch wird die Wirkungsdauer verlängert bzw. ein gleichmäßigerer L-Dopa-Spiegel erreicht. Diese Präparate mit einer verzögerten, aber länger anhaltenden Medikamentenfreisetzung werden Retard- oder Depotpräparate genannt. Da die Bioverfügbarkeit der Retard-/Depotformen niedriger als diejenige der Standardzubereitung ist, müssen die Einzeldosen entsprechend erhöht werden.
    Der Einsatz von L-Dopa-Retard- bzw. Depotformen bietet sich z. B. bei Patienten an, bei denen ein Wirkungsverlust zum Ende einer Einzeldosis auftritt. Durch die Depotformulierung setzen die Phasen schlechter Beweglichkeit nicht so deutlich spürbar ein, gleichzeitig halten die Phasen guter Beweglichkeit länger an. Da der Wirkungsbeginn bei Depot-Präparaten verzögert eintritt, wird morgens gerne mit Standard-L-Dopa kombiniert (Starterdosis). Wichtig: L-Dopa sollte nicht zusammen mit einer großen eiweißreichen Nahrung eingenommen werden, da dies die Aufnahme von L-Dopa an der Blut-Hirnschranke blockieren könnte.
    Gelegentlich tritt nachts bzw. frühmorgens wegen der langen „Medikamentenpause“ eine deutliche Bewegungsminderung auf, die mit schmerzhaften Hand-, Waden- oder Fußverkrampfungen verbunden sein kann. Am Besten bewährt hat sich die Retard- oder Depotmedikation als abendliche Gabe für die Nacht da durch die fehlende Nahrungsaufnahme während des Schlafs eine gleichmäßige Aufnahme von L-Dopa gewährleistet ist.

  3. #3
    Moderatorin Avatar von Maike Noah
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    1.732
    Hallo Frau Hennemann,
    Zitat Zitat von Jana Hennemann Beitrag anzeigen
    Retardiertes L-Dopa gibt langsam seinen Wirkstoff ab, dieser kann aber wegen Carriern nur in den obersten Darmabschnitten resorbiert werden. Der weiter unten freigegebene Wirkstoff hat dann ja keine Chance abgenommen zu werden...
    Interessanter Aspekt. Frau Dr. Kresser, vielleicht können Sie hierzu noch etwas berichten?

    Mit bestem Gruß
    Maike Noah

    [Anmerkung admin: aus dem Unterforum "Arzneimittelinformation" http://www.pharma4u.de/forum/showthr...=1685#post1685 verschoben]
    Maike Noah, Apothekerin

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  4. #4
    Dozent Ravati Seminare Avatar von Prof. Dr. Martin Pfaffendorf
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    Sehr verehrte Frau Hennemann,
    Da die Therapie des M. Parkinson, wie Sie ungezweifelt wissen, sehr vom Stadium, d.h. der verbliebenden Anzahl Dopamin-freisetzender (speichernder) Axone, abhängt, muss die Therapie ständig angepasst werden. Man kommt von einer 'Dopamin-Beladungshilfe' für die Nervenendigung immer mehr zu einer reinen Dopamin-Substitution. Je weiter man sich im letzteren Stadium befindet, desto empfindlicher reagiert der Patient auf Schwankungen im L-Dopa Plasmaspiegel. Hier ist also therapeutisch eine effektive Retardierung sehr wünschenswert.
    Gleichwohl bleibt die Retardierung von L-Dopa bis heute eine weitgehend ungelöste technologische Herausforderung. Den Grund des schmalen räumlichen Resorptionsfensters haben Sie ja selber schon erwähnt. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass das zeitliche Resorptionsfenster immerhin ca. 4 h beträgt. Das mag daran liegen, dass Dopamin, welches auch unter der gleichzeitigen Gabe von Decarboxylase-Hemmstoffen peripher entsteht, die Motilität von Magen und Darm vermindert.
    Die Lösung des (galenischen) Problems wird u.a. mit sog. Schwimm-Zubereitungen versucht, also Kapseln/Tabletten, die den Magen nicht verlassen. Ein weiterer Ansatz, der z.Z. nur bei schweren Fällen angewendet wird, ist eine (steuerbare) Infusion in den oberen Darm.
    Mit anderen Worten, es ist z.Z. nicht optimal aber man versucht das Beste mit dem was man hat.
    Einen anderen Wirkstoff, bei dem ähnliches gilt fällt mir im Moment leider nicht ein, würde mich aber freuen, wenn Sie einen Vorschlag hätten.

    Mit freundlichen Grüßen

    Martin Pfaffendorf

  5. #5
    Premium-User Avatar von dude
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    Zitat Zitat von Prof. Dr. Martin Pfaffendorf Beitrag anzeigen
    Mit anderen Worten, es ist z.Z. nicht optimal aber man versucht das Beste mit dem was man hat.
    Einen anderen Wirkstoff, bei dem ähnliches gilt fällt mir im Moment leider nicht ein, würde mich aber freuen, wenn Sie einen Vorschlag hätten.
    Wegen Retardierungsproblem: Ist der Grund derselbe wie bei Aciclovir? Dort muss man ja auch 5 Tabletten täglich einnehmen, um konstante Wirkspiegel aufrecht zu erhalten...

  6. #6
    Dozent Ravati Seminare Avatar von Prof. Dr. Martin Pfaffendorf
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    L.S.,
    Wegen seiner schlechten Resorptionsrate (ca. 20%) müsste eine sinnvolle Aiiclovir-Retardzubereitung einen sehr hohen Wirkstoffgehalt aufweisen. Das könnte problematisch werden.
    MfG
    Martin Pfaffendorf

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