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Thema: Kontrahierungszwang

  1. #1
    Premium-User Avatar von Claus Rycken
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    Kontrahierungszwang

    Tag zusammen,

    wir unterliegen ja bei der Belieferung von Arzneimittel-Rezepten dem Kontrahierungszwang. Jetzt diskutieren wir bei uns gerade, ob der Kontrahierungszwang (oder andere, die Apotheke betreffende Regelungen) bedeutet, dass ein Rezept auch ohne Bezahlung beliefert werden muss.

    Ich persönlich meine nein, da der Kontrahierungszwang im allgemeiner Definition die Pflicht zum Abschluss eines Vertrages bedeutet (z.B. darf die GKV kein Mitglied wegen chronischer Krankheit ablehnen). Ein Vertrag entsteht aber nur bei beiderseitiger Erfüllung der Vertrags, also in der Apotheke Ware (Arzneimittel) gegen Geld.

    Mein Chef meint, der Versorgungsauftrag der Apotheke bedeutet, dass ein Rezept auf jeden Fall beliefert werden muss, egal ob der Patient Geld zahlt oder nicht.

    Wer weiß genaueres bzw. gibt es dazu entsprechende Rechtsprechung / Gutachten?

    Mit freundlichen Grüßen

    Claus Rycken

  2. #2
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    Hallo,

    das ist ja mal ne schaurig-schöne Frage!

    Ich würde es spontan wie Sie sehen. Wir sind verpflichtet, den Vertrag abzuschließen, aber in dem "Vertrag" ist eben auch eine Zahlungspflicht verankert. Der Vertrag, der dann zustande kommt, ist ja dann quasi Rahmenvertrag und Liefervertrag, wo die Zuzahlungen verankert sind.

    Für GKV-Rezepte ist in schweren Fällen von Zahlungsverweigerung die Krankenkasse in der Pflicht. (Hatten wir auch schon - klappt )
    Daraus könnte man m.E. ableiten, dass wir dem Versicherten, der nicht zahlen will, das Arzneimittel aushändigen und eine Rechnung und X Mahnungen zukommen lassen müssen, um uns dann von der Kasse die Zuzahlung zu holen. Kann man uns also im Voraus per Konrahierungszwang zu diesem Vorgehen verpflichten?

    Dazu auch ganz interessant, aber auch ohne rechtliche Details: http://www.heimversorger.de/was-tun-...nicht-bezahlen

    Spannend wäre auch, wie sich das in Verbindung mit Festbetragsdifferenzen bei GKV darstellt. Für diese hat die Kasse ja keine Zahlungspflicht.

    Grundsätzlich gilt ja, wenn man keine Ahnung hat, [...] - aber wenn gar keiner was sagt, ist's ja auch langweilig...
    In diesem Sinne

    Isoprop


    Nachtrag: http://books.google.de/books?id=EGMb...otheke&f=false
    Hier gibt es Beispiele für Vertragsrecht und Kontrahierungszwang, wo es darum geht, dass etwas Zahlungspflichtiges verwehrt wird. Kein Discoeinlass wegen Hautfarbe oder ein Theaterkritiker, der nicht ins Theater darf. In keinem der Fälle geht es darum, dass der Betreiber Geld für seine Leistung haben will, sondern um grundsätzliche Ablehnung. Auf uns übertragen hieße das: "Mir passt deine Nase nicht, also geh mit deinem Rezept hin, wo der Pfeffer wächst". Oder "Wir machen hier keine Rezepturen, also geh weg". DAS sind in meinen Augen Verstöße gegen den Kontrahierungszwang.
    Geändert von isoprop (18.09.2014 um 08:55 Uhr)

  3. #3
    Premium-User Avatar von Claus Rycken
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    Hallo isoprop,

    vielen Dank, der Stada-Link ist sehr hilfreich; beantwortet schon meine Frage.

    Gruß, Claus Rycken

  4. #4
    Moderatorin Avatar von Maike Noah
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    Guten Abend Herr Rycken,
    Sie fragten noch nach der Gesetzesstelle:
    Zitat Zitat von Claus Rycken Beitrag anzeigen
    Wer weiß genaueres bzw. gibt es dazu entsprechende Rechtsprechung / Gutachten?
    Der von Ihnen geschilderte Fall ist in §43b SGB V geregelt:
    § 43b
    Zahlungsweg

    (1) Leistungserbringer haben Zahlungen, die Versicherte zu entrichten haben, einzuziehen und mit ihrem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu verrechnen. Zahlt der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht, hat die Krankenkasse die Zahlung einzuziehen.

    (2) (weggefallen)

    (3) Zuzahlungen, die Versicherte nach § 39 Abs. 4 zu entrichten haben, hat das Krankenhaus einzubehalten; sein Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse verringert sich entsprechend. Absatz 1 Satz 2 gilt nicht. Zahlt der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch das Krankenhaus nicht, hat dieses im Auftrag der Krankenkasse die Zuzahlung einzuziehen. Die Krankenhäuser werden zur Durchführung des Verwaltungsverfahrens nach Satz 3 beliehen. Sie können hierzu Verwaltungsakte gegenüber den Versicherten erlassen; Klagen gegen diese Verwaltungsakte haben keine aufschiebende Wirkung; ein Vorverfahren findet nicht statt. Die zuständige Krankenkasse erstattet dem Krankenhaus je durchgeführtem Verwaltungsverfahren nach Satz 3 eine angemessene Kostenpauschale. Die dem Krankenhaus für Klagen von Versicherten gegen den Verwaltungsakt entstehenden Kosten werden von den Krankenkassen getragen. Das Vollstreckungsverfahren für Zuzahlungen nach § 39 Absatz 4 wird von der zuständigen Krankenkasse durchgeführt. Das Nähere zur Umsetzung der Kostenerstattung nach den Sätzen 6 und 7 vereinbaren der Spitzenverband Bund und die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Soweit die Einziehung der Zuzahlung durch das Krankenhaus erfolglos bleibt, verringert sich abweichend von Satz 1 der Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse nicht.
    Beste Grüße von der Expopharm
    Maike Noah
    Maike Noah, Apothekerin

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  5. #5
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    Zitat Zitat von Maike Noah Beitrag anzeigen
    Der von Ihnen geschilderte Fall ist in §43b SGB V geregelt:
    Naja, eigentlich nicht ganz. Denn heißt das nun, wenn der nächste kommt und keine Zuzahlung zahlen will, dass wir dieses Verfahren bestreiten MÜSSEN? Was ist mit den Retaxierungen über versehentlich nicht eingezogene Zuzahlungen? Kann man die auch der Krankenkasse - wieder - in Rechnung stellen? Wer will schon Monate später wegen 5 Euro behelligt werden...

    Und hat jemand Erfahrung, ob sich die Kassen mit den kleckerweise auftretenden Kleinbeträgen wirklich an die Versicherten wenden?

  6. #6
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    Gilt der erste Absatz für alle Zahlungen? Also auch für die Zuzahlungen zur künstlichen Befruchtung?

    Wir hatten da noch die 4-stellige Summe von einer ehemaligen Stammkundin ausstehen? bei der stehen wir was die Ansprüche angeht ganz hinten in der Schlange?.

    Sollte wir also unsere Ansprüche dann lieber gegenüber Ihrer Kasse geltend machen?

  7. #7
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Alexander Ravati
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    Hallo zusammen,

    Antwort an bellisperennis: JA! (mit Verweis auf oben zitierten §43b SGBV)

    Allerdings sind mir die Antworten auf die (interessante!) Frage von Herrn Rycken noch etwas zu Krankenkassen-spezifisch!

    Was machen Sie denn wenn ein Privat-Patient (versichert bei z.B. Allianz oder gar nicht krankenversichert) mit Privat-Rezept über ein rx-AM (z.B. Cialis) vor Ihnen steht und sagt. "Zahlen kann und will ich nicht, aber ich habe Versorgungsanspruch"
    Dann muss man folgendes wissen um zu verstehen, warum der Chef von Herrn Rycken tatsächlich Recht hat.

    1. hat jeder Patient einen sogenannten Anspruch auf "ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung". Die ergibt sich aus dem Apothekenrecht und nennt sich auch "Versorgungsauftrag der Apotheke (und gilt NUR für AM und rx-MP!). Dabei handelt es sich um eine Pflicht des öffentlichen Rechts!!!
    2. ist eine Apotheke ein Leistungserbringer im Sinne SGB und v.a.(!) im Sinne BGB und HGB. Daraus ergibt sich bei korrekt erbrachter Leistung ein ZIVIL-Rechtlicher (auch "privatrechtlicher" genannt) Erstattungs- bzw. Zahlungsanspruch an den Produkt- bzw. Leistungsempfänger (und zwar für ALLE Leistungen und Produkte die die Apotheke erbringt - auch für nicht-AM)

    Was ergibt sich daraus und was geht vor?
    Die Antwort ist hier (rechtlich korrekt betrachtet) einfach: "Öffrecht" geht VOR (Privat/Zivilrecht)!
    Wobei sich das ja nicht einmal zwingend ausschließt. Das Vorgehen stellt man sich in unserem Beispiel so vor:
    1. Sie geben Cialis ab und beraten dazu ordnungsgemäß (gem.§ 20 ApBetrO)
    2. Weil Kunde nicht zahlen kann/will schicken Sie ihm:1. eine Rechnung, 2. Mahnungen, 3 den Gerichtsvollzieher -am besten mit Hilfe eines Inkassounternehmens nach Hause (der ihm zur Not alles verzichtbare nimmt um u.a. Ihren Zahlungsanspruch zu bedienen)

    So ist zunächst theoretisch klar, dass es sich um zwei unabhängige Prozesse handelt?
    1. den Rechts-Anspruch des Patienten auf das AM
    2. den (zivilrechtlichen) Zahlungs-Anspruch der Apotheke.

    Wie sie das jetzt "finden" ist eine andere Frage ;-)

    In Wirklichkeit ist es ja so:
    - Hat der Patient "Asche", dann kriegen Sie wie oben beschrieben auch Ihr Geld (spätestens wenn der Gerichtsvollzieher kommt)
    - Hat der Patient keine "Asche" ist in der Regel irgendeine Versorgungseinrichtung gem. SGB für ihn zuständig und dann kriegen sie darüber ihr Geld
    (z.B. so wie in den anderen Threads oben korrekt beschrieben)
    :-)
    Beste Grüße, Ihr Dr. Alexander Ravati,

    Apotheker, Ihr Experte im Forum Spezielle Rechtsgebiete und Pharmazie
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