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Thema: Geschichte der Kompetenz-Losigkeit

  1. #1
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    Böse Geschichte der Kompetenz-Losigkeit

    Lieber Herr Dr. Helmstädter,

    mir ist aufgefallen, dass in anderen Ländern wie England, Holland etc. der Apotheker als Gesundheitsberater insbesondere im Hinblick aufd en Arzt die Therapiesicherheit und INteventionen im Bereich der Arzmitteltherapie seit vielen Jahren ein gleichberechtiger Partner ist.

    In Deutschland hingegen ist die Rolle des Apothekers immernoch die des Distributors (auch Schubladenzieher genannt).

    Kann man diesen Unterscheid durch eine unterschiedliche historische Entwicklung der Pharmzie in Deutschland und in anderen Ländern irgendwie erklären?

    VG Miris

  2. #2
    Kompetenz-Manager Avatar von Prof. Dr. Axel Helmstädter
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    Liebe/r Kolleg/In,

    also ganz so würde ich das nicht verallgemeinern. Wenn Sie z.B. an einen Apotheker in einem britischen (oder amerikanischen!) drugstore denken, der in der Ecke eines großen Supermarktes "prescriptions" beliefert, ist das sicherlich weit vom Ideal des Heilberuflers auf "Augenhöhe" mit dem Arzt entfernt. Eine professionelle Arzneimitteldistribution in einer öffentlichen Apotheke mit allem was dazugehört ist auch nicht "kompetenzlos", wie Ihre Betreffzeile suggerieren mag.
    In Großbritannien sind aber Apotheker, wenn man es historisch betrachtet, immer näher an der Therapie gewesen. Es ist sogar so, dass sich der Britische "Apothecary" zu Beginn des 18. Jahrhunderts sich das Behandlungsrecht gerichtlich erstritten hat ("Rose-Case"). Apothecaries wurden dann quasi zu Allgemeinmedizinern, das dadurch entstehende Vakuum der Arzneimittelversorgung füllten dann die "Chemists and Druggists". In GB ist also die Trennung zwischen Arzt und Apotheker nie so strikt gewesen wie bei uns. Das wird sicher im Berufsbild nachwirken.
    Ich denke aber, Sie spielen auf die Klinische Pharmazie/Pharmaceutical Care an; hier sind die Niederlande und Großbritannien in der Tat europäische Musterländer. Klinisch-pharmazeutische Inhalte wurden in Ausbildung und Praxis in diesen Ländern viel früher, begeisterter und radikaler umgesetzt als bei uns, was auch damit zu tun hat, dass man z.B. erfahrene Krankenhausapotheker umfänglich mit universitären Lehraufgaben betraut hat ("Teacher-Practitioner-Modell"). Da war und ist man hierzulange wesentlich zögerlicher (und geiziger: in GB gibt es pro Station einen Apotheker !). ABER: In diesen Ländern gibt es z.B. in der Durchschnittsapotheke quasi keine Arzneimittelherstellung und -analytik mehr; insofern ist auch ein Stück Kompetenz verloren gegangen. Was die Ausbildung angeht, spielt sicher auch eine Rolle, dass das deutsche Studium in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Konzentrierung auf organische Chemie, Arzneistoffsynthese und -analytik sicher etwas Apothekenpraxis-ferner war als in anderen Ländern. Die Kollegen dort sind dann aber vielleicht etwas schlechter auf Aufgaben in der Industrie vorbereitet gewesen. Insofern hat alles zwei Seiten.

    Danke für Ihre Frage !

    A. Helmstädter
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  3. #3
    Premium-User
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    Hallo zusammen,
    im Kammerunterricht wurde zum Thema Arzt und/oder Apotheker gerade erzählt, dass es diese Trennung nicht schon immer gab, sondern, dass es irgendwann nötig wurde, die Arzneimittelverordnung und -abgabe in unterschiedliche Hände zu legen (es wäre ansonsten für den Patienten dadurch angeblich sehr teuer geworden -> Warum eigentlich? Können Sie das vielleicht näher erläutern oder kennen Sie einen anderen Grund für die Trennung?)

    Schade ist ja in dieser Hinsicht, wenn man bedenkt, dass Arzt und Apotheker aus dem gleichen "Uraffen" hervorgegangen sind, dass der Arzt weiterhin bestes Ansehen genießt und der Apotheker "abgestiegen" ist. Woran das wohl liegt?

    Chrissi Mann
    PiP

  4. #4
    Kompetenz-Manager Avatar von Prof. Dr. Axel Helmstädter
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    Liebe Frau Mann,

    was Sie da schreiben ist natürlich eine sehr verkürzte Darstellung. Grundsätzlich ist es so, dass sich etwa im 13. Jahrhundert Arzt- und Apothekerberuf getrennt haben. Einer der Gründe ist die komplexer werdende Arzneimittelherstellung, ganz insbesondere durch Einführung der Destillation - das konnte man als Arzt fachlich, technisch und räumlich nicht mehr "nebenbei" erledigen. Eine andere Entwicklung ist, dass sich aus bestimmten kleineren Warenhandlungen (sprachlich heißt Apotheka nichts als Lager) solche herauskristallisiert haben, die sich auf Arzneimittel spezialisierten. Parallel dazu gibt es zur gleichen zeit erste gesetzliche Regelungen, die die Aufgabenbereiche von Arzt und Apotheker trennen, beispielsweise das bekannte "Edikt von Salerno" (ca. 1231), das zum Vorbild für viele andere Regelungen wurde. Hier wird - kurz gesagt - festgelegt, dass Ärzte keine Apotheke betreiben und Apotheker nicht behandeln dürfen. Unter anderem werden dort auch Höchstpreise für ärztliche und apothekerliche Leistungen festgelegt, um jede Art von "Wucher" zu bekämpfen. Zum Ausgleich für die beschränkte wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeit wurde den Apothekern ein Gebietsschutz mit Konkurrenzausschluss gewährt. In diesen Zusammenhang gehört natürlich auch die weise Überlegung, der verordnenden Arzt nicht am Arzneimittelumsatz partizipieren zu lassen - auch wenn das so nicht drin steht. Man kann das hier nicht alles ausführen, mehr finden Sie z.B. im "Leitfaden der Pharmaziegeschichte" oder am umfänglichsten in "Schmitz: Geschichte der Pharmazie".

    Die Frage des unterschiedlichen Ansehens der Heilberufe ist natürlich eine vielschichtige und sicherlich nicht nur historische; historisch spielt sicherlich eine Rolle, dass Apotheker den Ärzten lange hierarchisch eindeutig untergeordnet waren (Studium vs. Lehre, Lateinkenntnisse vs. keine, Visitations- bzw. Weisungsrecht, Substitutionsverbot etc.)

    Ein weites Feld !
    A. Helmstädter
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