Ergebnis 1 bis 3 von 3

Thema: Serotonylierung und Marcumar mit ASS 100

  1. #1
    Premium-User
    Registriert seit
    21.07.2011
    Beiträge
    6

    Serotonylierung und Marcumar mit ASS 100

    Guten Abend, ich habe zwei voneinander unabhängige Fragen. Die erste lautet: wie kann man eigentlich erklären wieso zb ssris eine
    erhöhte Blutungsneigung machen, obwohl man ja eigentlich eine erhöhte Gerinnungsneigung erwarten würde. Oder wo finde ich hierzu eine gute Erklärung?

    Die zweite Frage ist sicher recht schnell zu beantworten: Kann man Marcumar zusammen mit ASS100 geben und wenn ja, wann könnte das sinnvoll sein?

    Vielen Dank im Voraus

  2. #2
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Christoph Behrendt
    Registriert seit
    05.01.2011
    Ort
    Hamburg
    Beiträge
    189
    SSRIs erhöhen die Blutungsneigung, da die Freigabe von Serotonin (5-HT) in Thrombozyten für deren Ansammlung wichtig ist.
    Blutplättchen sind außerstande Serotonin zu synthetisieren, die durch die Zirkulation von Serotonintransportern aufgenommen werden. SSRI hemmen diese Transporte und senken das Serotoninniveau nach mehreren Wochen der Behandlung in den Plättchen.

    Eine Kombination von ASS (TBAH) und Phenprocoumon (Antikoagulanz) ist normalerweise problematisch aufgrund der deutlich erhöhten Blutungsneigung, allerdings gibt es Ausnahmen und es besteht keine absolute KI.
    Ich zitiere zu dieser Frage einmal den Arzneimittelbrief (http://www.der-arzneimittelbrief.de/...2Seite96.htm):

    "Im Bereich der Kardiologie finden sich mehrere Studien zu diesem Thema. So wurden im September auf der Jahrestagung der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft die Ergebnisse aus WARIS-II vorgestellt (5). In dieser Studie sind über 3500 Patienten nach Myokardinfarkt vier Jahre lang mit niedriger Dosis ASS (75 mg/d) plus niedrig dosiert Warfarin (Coumadin; INR 2-2,5) zur Sekundärprophylaxe behandelt worden. Als Kontrollen dienten ein Behandlungsarm mit 160 mg ASS/d und ein Arm mit höher dosiertem Warfarin (INR 2,8-4,2). In der Kombinationsgruppe traten auf 100 Patientenjahre 1,5 weniger Ereignisse (Reinfarkt oder Schlaganfall) auf als in der ASS-Gruppe und auch weniger Ereignisse als in der Warfarin-Gruppe. Es müßten demnach also etwa 66 Patienten mit der Kombination behandelt werden um jährlich ein (nicht tödliches) Ereignis zu verhindern (NNR: 66/Jahr). Diesem Nutzen stand ein vierfach erhöhtes Risiko für eine Blutungskomplikation gegenüber.

    Im Thrombosis Prevention Trial (TPT; 6) wurden 5500 Männer mit hohem Risiko für eine Koronare Herzkrankheit (KHK) für eine Primärprophylaxe vorgesehen. Sie erhielten mehrere Jahre lang in vier Kohorten niedrig dosiert Warfarin (Ziel-INR: 1,5-1,8) plus 75 mg ASS/d oder nur Warfarin oder nur ASS oder nur Plazebo. Die Ergebnisse sind in Tab.1 wiedergegeben. Hier ist zu sehen, daß die Kombination Warfarin plus ASS bei der Primärprävention einer KHK gering wirksamer zu sein scheint als Warfarin oder ASS allein. Es müßten allerdings über 5000 Risikopatienten mit der Kombination behandelt werden um ein (nicht tödliches) KHK-Ereignis pro Jahr zu verhindern. Es resultiert kein Überlebensvorteil gegenüber ASS allein, aber 100 Blutungskomplikationen mehr pro Jahr.

    Bei anderen Konstellationen wie z.B. Versagen einer antithrombotischen Monotherapie oder bei zwingend erforderlicher Antikoagulanzien-Therapie (Zustand nach Lungenarterienembolie, Mitralstenose mit Vorhofflimmern etc.) und neu aufgetretener instabiler Angina pectoris wäre eine Kombinationstherapie sinnvoll. Hier würde man heute aber eher auf nicht ulzerogene Thrombozytenaggregationshemmer zurückgreifen (z.B. Clopidogrel). Es fehlen jedoch Studien zu diesen speziellen Kombinationen.

    Zusammenfassend kann man also sagen, daß die Kombinationstherapie einer oralen (niedrig dosierten) Antikoagulation plus Thrombozytenaggregationshemmer nur in Ausnahmefällen angewendet werden sollte. Der erzielbare Nutzen ist begrenzt und selbst unter Studienbedingungen mit gutem Monitoring ist die Wahrscheinlichkeit einer Blutungskomplikation unter der Kombinationstherapie mit ASS 2,5 bis 4fach höher im Vergleich zu ASS allein.

    Wenn man sich trotzdem für eine kombinierte antithrombotische Therapie entscheidet, dann sollte dies nur unter engmaschiger klinischer und paraklinischer Kontrolle erfolgen, die bei Bedarf auch Gastroskopien einschließt."
    Dr. Christoph Behrendt, Apotheker, Ihr Experte im Forum Pharmazeutische Chemie (v,a, Hauptstudium)
    Rechtlicher Hinweis: Die hier eingestellten Kommentare geben die persönliche Meinung des Beitragstellers wieder und haben keinerlei rechts- empfehlenden oder rechtsbindenen Charakter.

  3. #3
    Premium-User
    Registriert seit
    21.07.2011
    Beiträge
    6
    Vielen Dank für die schnelle und kompetente Antwort!

Lesezeichen

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •