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Thema: Pikrinsäure

  1. #1
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    Pikrinsäure

    Hallo,

    in den meisten Apotheken dümpelt ein altes Gefäß mit Pikrinsäure kopfüber in einem Behälter mit Wasser in der hintersten Ecke des Abzugs. Wie kann die Pikrinsäure entsorgt werden. Ist es ungefährlich den Verschluss des Gefäßes unter Wasser zu öffnen?

    Grüße
    Heidi Kraft

  2. #2
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Detlev Bregulla
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    Pikrinsäurereste habe ich des Öfteren folgendermaßen entsorgt:

    Gefäß wie beschrieben in Wasser lagern und ab und an versuchen, ob sich der Verschluß unter Wasser (Handschuhe tragen) leicht öffnen läßt. Wenn dies der Fall ist, öffnen und Wasser einströmen lassen. Gefäß unter Wasser nicht ganz verschließen und erst dann entnehmen, wenn der Feststoff gut durchfeuchtet ist, ggf. Wassermenge ergänzen.

    Die so befeuchtete Pikrinsäure ist nicht mehr explosiv.

    Die Entsorgung selber muss dann von einem Entsorgungsbetrieb vorgenommen werden, der die Pikrinsäure (Abfallschlüsselnummer: 160508) auch abholt. Es ist nicht möglich, das Gefäß selber zu einem Entsorgungsbetrieb zu transportieren, da dies gegen die Vorschriften des Gefahrgutrechtes (Gewerblicher Transport) verstoßen würde. Sofern der örtliche Hausmüllentsorger eine Schadstoffsammenstelle/Schadstoffmobil betreibt, sollte man nachfragen, ob die Chemikalie nicht abgeholt werden kann.

    Da im Rahmen der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung eine erhebliche Veränderung des Reagenziensatzes zu erwarten ist, empfehle ich, die Pikrinsäure in dieser Form weiter aufzubewahren. Eine Entsorgung kann dann zusammen mit anderen Chemikalien erfolgen.

    Mit bestem Gruß

    Dr. Detlev Bregulla
    Geändert von Dr. Detlev Bregulla (03.04.2011 um 18:52 Uhr)
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  3. #3
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    Vielen herzlichen Dank Herr Dr. Bregulla.

    Eine Frage habe ich noch zu Thema. Was ist, wenn sich der Verschluss nicht leicht öffnen lässt?

    Freundliche Grüße
    Heidi Kraft

  4. #4
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    Zitat Zitat von Heidi Kraft Beitrag anzeigen
    in den meisten Apotheken dümpelt ein altes Gefäß mit Pikrinsäure kopfüber in einem Behälter mit Wasser in der hintersten Ecke des Abzugs.
    Guten Abend zusammen,
    warum so kompliziert? Dann ist es ja kein Wunder wenn nach einigen Jahren der Deckel klemmt. Bei uns in der Apo haben wir so was zum Glück nicht/ nicht mehr(?). Beim Kammerunterricht hat uns ein Pharmazierat erklärt, dass man einfach eine bestimmte Menge Wasser IM Gefäß haben sollte und das einfach einmal monatlich auf diese bestimmte Höhe auffüllt.

    Chrissi Mann
    PiP

  5. #5
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Detlev Bregulla
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    "Eine Frage habe ich noch zu Thema. Was ist, wenn sich der Verschluss nicht leicht öffnen lässt?"

    In den Schraubgewinden der Gefäße können so hohe Druckbelastungen auftreten, dass sich die Pikrinsäure schlagartig zersetzen kann. Je nach Heftigkeit dieser Zersetzung kann der auftretende Druck auch die Pikrinsäure im Gefäß zur Reaktion bringen. In der Praxis habe ich dies noch nie erlebt. Man muss aber zuweilen einige Wochen Zeit warten, bis sich der gewünschte Effekt einstellt.

    Sollte wider Erwarten der Verschluß nicht zu öffnen sein, sollte man die zuständigen Ämter für öffentliche Ordnung kontaktieren. In der Regel werden dann die Behältnisse unter Sicherheitsvorkehrungen abgeholt und vernichtet.

    "Beim Kammerunterricht hat uns ein Pharmazierat erklärt, dass man einfach eine bestimmte Menge Wasser IM Gefäß haben sollte und das einfach einmal monatlich auf diese bestimmte Höhe auffüllt."

    Das ist der Idealfall, der in einer gepflegten Chemikaliensammlung realisiert werden sollte. Dies ist des öfteren nicht so geregelt. Insbesondere die Verschlußkappen der Chemikalienbehältnisse sind auf so lange Aufbewahrungszeiträume nicht ausgelegt und sind dann nicht mehr dicht, verklebt und brüchig.

    Mit bestem Gruß

    Dr. Detlev Bregulla
    Geändert von Dr. Detlev Bregulla (06.04.2011 um 18:07 Uhr)
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  6. #6
    Premium-User Avatar von Alina Schmidt
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    Hallo Dr.Bregulla,
    auchin unseren Laborschränken befindet sich so ein stark veraltetes Pikrinsäuregefäß. Dies ist aber leider komplett eingetrocknet, das heißt die Substanz trägt ja jetzt ein hohes Potenzial sich selbst zu zersetzen. Ich habe aber gelesen, dass das meist nur passiert, wenn es zu Verunreinigungen kommt, also Fremdsubstanzen in das Gefäß gelangen oder das Gefäß gestoßen oder geschüttelt wid.
    Ich habe nun also Bedenken, das Gefäß einfach aus dem Schrank zu entnehmen und in einem Eimer mit Wasser (nimmt man eigentlich gereinigtes Wasser ?) einzutauchen. Der Verscrhluss lässt sich durch die Verkrustungen auch wahrscheinlich schlecht lösen.

    Wenn man dann die Horrorgeschichten hört, dass Behörden mit einem Bombenräumkommando anrücken und die Umgebung großzügig evakuieren, frage ich mich, ob das nur Hysterie ist, oder das in der Praxis wirklich so abläuft...

    Vielen Dank für ihre Tipps.

    Alina Schmidt

  7. #7
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Detlev Bregulla
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    Wenn man dies den Behörden meldet, kann es in der Tat zu sehr umfangreichen Maßnahmen kommen. Es ist mir nicht bekannt, ob solche Einsätze (meist durch die Entschärfungskomandos der Polizei, evtl. auch durch von den Ordnungsbehörden beauftragten Spezialunternehmen) in Rechnung gestellt werden.

    Pikrinsäure ist, wie viele organische selbstzersetzliche Stoffe, stoßempfindlich. Dazu muss aber eine gewisse Energie zugeführt werden. Verunreinigte Stoffe können durch eine katalytische Wirkung (insbesondere Metallionen) ein höheres Selbstzersetzungspotential aufweisen. Bei apothekenüblicher Lagerung ist damit regelmäßig nicht zu rechnen.

    Auch bei so stark eingetrockneten Gefäßen (um welche Menge handelt es sich?) empfehle ich zunächst das oben von mir beschriebene Verfahren. Da die so befeuchtete Pikrinsäure in der Regel nicht mehr als Reagenz verwendet wird (meist sind nach Anwendung des Verfahrens Teile der Dichtung und/oder des Verschlusses in der Pikrinsäure), ist die Verwendung gereinigten Wasser nicht erforderlich.

    Der Eimer sollte selbstverständlich stoß- und sturzgesichert, z.B. im Abzug mit geschlossenem Schieber (Warnhinweis anbringen) gelagert werden.

    Bei stark verkrusteten Verschlüssen kann es durchaus zwei, drei Wochen dauern, bis sich der Verschluß ohne wesentliche Kraftanwendung lösen läßt.

    Mit bestem Gruß

    Dr. Detlev Bregulla
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  8. #8
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    Guten Morgen,

    ist es Kamikaze, das Gefäß unter Wasser absichtlich zu zerstören, wenn keiner nah ran gehen will? In meiner ehemaligen Apotheke dümpelte auch so ein Gefäß unterm Abzug, und der Inhalt sah auch noch nach einem Jahr Praktikantenzeit knochentrocken aus. Da wollte keiner am Verschluss drehen, so wurde es an die nächste Praktikantengeneration weitergereicht (und steht wahrscheinlich bis heute unverändert da). Aber da kommt man schon auf Ideen... Mein Favorit: das Gefäß bei starkem Regen aus dem Fenster werfen... ;-)
    Wie stark ist denn so eine Pikrinsäure-Explosion? Reden wir von berstenden Fensterscheiben und halb (oder ganz?) eingestürzten Häusern bzw. Häuserzeilen mit anschließendem Großbrand? Oder verabschiedet sie sich mit einem mehr oder weniger lauten "Puff" und das war's dann?

    Gespannt
    isoprop

  9. #9
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Detlev Bregulla
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    Es geht nicht darum, das Gefäß mit Gewalt zu zerstören, sondern nach entsprechender Durchfeuchtung der verkrusteten Dichtung des Verschlusses - bis sich der Verschluß ohne deutlichen Kraftaufwand öffnen läßt - das Gefäß zu öffnen. Häufig ist zu diesem Zeitpunkt schon so viel Wasser/Feuchtigkeit eingedrungen, dass die Pikrinsäure ausreichend phlegmatisiert ist.

    Soweit diese Methode auch nach längerer Einwirkzeit nicht zum Erfolg führt, kann man unter Wasser mit einen manuellen Handbohrer versuchen, den Stopfen (soweit aus Kunststoff) vorsichtig zu durchbohren.

    Schlägt auch dieses fehl, ist eine Entsorgung durch einen zugelassenen Entsorger durchzuführen.

    Das Gefäß bei Regen aus dem Fenster werfen ist juristisch gehen eine ganz schlechte Idee, da dort gegen eine Vielzahl von Regelungen verstoßen wird.

    Noch einmal zum Verständnis: Pikrinsäure ist eine selbstzersetzliche Substanz, für deren Explosion es beachtlicher Maßnahmen bedarf. Die Reibempfindlichkeit ist gering. Mit dem genormten Verfahren zur Reibempfindlichkeit von Explosivstoffen kann man Pikrinsäure nicht zur Explosion bringen. Die Stoßempfindlichkeit ist ebenfalls recht gering. Selbst bei der Verwendung von Initialzündern explodiert Pikrinsäure nicht immer.

    Wenn Pikrinsäure explodiert, entspricht die Wirkung ca. der 1,3 - 1,5 fachen Menge an konventionellen Dynamit.

    Das o.g. Verfahren ist also sicherlich kein "Kamikaze", sondern ein praktikables Verfahren.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Detlev Bregulla
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  10. #10
    Premium-User Avatar von Alina Schmidt
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    Hallo Dr. Bregulla.

    Nochmals vielen Dank für ihre Antwort.
    Wir werden es mal mit der "vorsichtigen" Tauchmethode versuchen.

    Schönes Wochenende
    Alina Schmidt

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