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Thema: Nitrogruppen erhöhen die Lipophilie

  1. #1
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    Nitrogruppen erhöhen die Lipophilie

    Hallo,

    ich habe gelesen, dass Nitrogruppen die Lipophilie erhöhen. So soll auch Nitroglycerin hochlipophil sein. Wenn ich mir so eine Nitrogruppe anschaue (zumal sie beim Zeichnen immer Ladungen trägt), sieht sie für mich sehr polar und hydrophil aus. Wie kommt es also, dass sie so lipophil ist?
    Geändert von alaun (12.01.2014 um 14:09 Uhr)

  2. #2
    Premium-User Avatar von Christian Müller
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    Hochlipophil klingt nach logP>6 aber in Wahrheit hat es einen logP von ~1 (0,9 - 1,24)
    Und wenn du beim Zeichnen genau hinschaust dürfte dir auffallen, dass die Ladungen sich negieren (+ auf Stickstoff, - auf Sauerstoff)
    Somit ist es nach außen gesehen neutral. Ich würde hier also eher auf das gesamte Molekül und Kohlenwasserstoffketten schauen.

  3. #3
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    Nitroglycerin hat ja nun keine Kohlenstoffwasserstoffketten. Für mich sehen Strukturen mit Stickstoffatomen und Sauerstoffatomen hydrophil aus - woran kann ich sonst festmachen, ob etwas hydrophil oder hydrophob ist? Vielleicht fehlt mir da ein grundlegender Fakt.

    Hydrophile Stoffe sollte polar sein, nicht? Ist Nitroglycerin deshalb lipophil, da man es wenden kann wie man will und immer gleich aussieht -> keine Polarität entsteht? Aber dieser Stoff sollte nur ein Beispiel sein. Gelesen habe ich, dass das Einführen einer Nitrogruppe in einen Aromaten die Lipophilie erhöht - also müsste sie die Polarität herabsetzen?

    Im gleichen Sinne schiebe ich da noch die Frage nach: Zwitterionen sind nach außen neutral. Sind sie deshalb lipophiler, als wenn sie nur eine Ladung tragen? Ich würde meinen, dass sich an beide Ladungen Moleküle anlagern können. Ich denke dabei an die Extraktion von Ampholyten, die am isoelektrischen Punkt erfolgen soll, dass sie dort bei isoelektrischer Fokussierung nicht wandern ist logisch, da es ja quasi nach links und rechts gleichermaßen gezogen wird und sich das aufhebt. Aber wenn die Ladungen nicht direkt nebeneinander liegen (wie bei der Nitrogruppe), dann müsste doch beide Ladungen zur Hydrophilie beitragen?

    Liege ich da falsch, bitte klär mich auf!

  4. #4
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Christoph Behrendt
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    Liebe Frau Thomas,

    richtig ist, dass Nitrogruppen die Lipophilie in der Regel erhöhen. Aber man kann nicht alle nitrierten Verbindungen über einen Kamm scheren, insbesondere wenn durch die Einführung nur einer Nitrogruppe das Dipolmoment eines Gesamtmoleküls verändert wird.
    Die Nitrofunktion ist, wie oben bereits ausgeführt, nach außen hin neutral geladen, die positive Ladung am N wird durch eine negative Ladung, welche sich über BEIDE O-Atome mesomer verteilt, ausgeglichen. Diese mesomere Grenzformel ist allerdings nur eine Darstellung der Ladungsverhältnisse in der funktionellen Gruppe, die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte aller Grenzformeln. Unsere VB-Darstellung kann den wirklichen Zustand schlecht wiedergeben, deshalb die Krücke mit den mesomeren Grenzstrukturen. Da sich viele Grenzformeln formulieren lassen, ist die Ladungsverteilung in der funktionellen Gruppe sehr symmetrisch und die Nitrogruppe ist für sich gesehen nicht besonders polar. Eine Hydroxylgruppe allerdings, wie sie beim Glycerol (später Nitroglycerin) vorliegt, besitzt aufgrund des permanent vorhandenen Dipolmoments und der erheblich größeren EN-Differenz zwischen O und H i. Vgl. zu N und O eine höhere Polarität. OH-Gruppen sind zudem besonders gut zu Wasserstoffbrückenbindungen zu Wassermolekülen befähigt, so dass Glycerol eine ausgeprägte Hydrophilie (Wasserlöslichkeit = 1,7*10e3 g/L) aufweist. Nitroglycerin hat nur eine schlechte Wasserlöslichkeit (1,4 mg/L bei RT). Die Nitrogruppen sind sehr schlechte Wasserstoffbrückenbindungspartner.
    Hydrophilie und Hydrophobie hängt in erster Linie davon ab, wie gut die funktionellen Gruppen des Moleküls mit Wassermolekülen über WBB interagieren können. Meistens sind polare Gruppen mit ausgeprägten Dipolmomenten optimal solvatisierbar.
    Die Nitrierung eines Aromaten ist etwas diffiziler in der Betrachtung.
    Benzen besitzt eine schlechte Wasserlöslichkeit (1,77 g/L), Nitrobenzen ist nur geringfügig schlechter wasserlöslich (1,9 g/L). Dinitrobenzene sind gar nicht mehr wasserlöslich. Der logP-Wert von Benzen und Nitrobenzen liegt bei 2,03 bzw. 1,85, also erniedrigt sich der logP-Wert sogar durch Nitrierung von Benzen. Das erscheint erstmal verwunderlich, da ja der logP-Wert die Verteilung zwischen wasser und Oktanol widergibt, also ein Maß für Lipophilie und Hydrophilie sein soll. Aber für eine gute Wasserlöslichkeit sind auch andere Einflussgrößen wie intermolekulare WW wichtig (z.B. stabile Kristallstrukturen, die sich schwerer auflösen lassen). Eine differenziertere Aussage wäre, dass die Wasserlöslichkeit durch Nitrierung in der Regel abnimmt und dass vor allem Nitrierung von Hydroxylgruppen (Alkohole und Phenole z.B.) immer zur Erhöhung von logP-Wert und Lipophilie führt.
    Bei Zwitterionen kann man sich die schlechte Wasserlöslichkeit auch sehr gut über intermolekulare WW erklären. Aminosäuren besitzen ein positiv und ein negativ geladenes Ende. Diese Enden können sich optimal in ein Kristallgitter einlagern und eine Salzstruktur ausbilden, in welche sich Wassermoleküle nicht so einfach einlagern können, v.a. da anders als bei einem anorganischen Salz das organische Zwitterion nicht dissoziieren lässt.
    Diese Erklärung greift natürlich nicht für Nitrobenzen bspw. wo die gegensätzlichen Ladungen eng beieinander liegen.

    VG
    Dr. Christoph Behrendt, Apotheker, Ihr Experte im Forum Pharmazeutische Chemie (v,a, Hauptstudium)
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  5. #5
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    Vielen Dank für Ihre umfassende Erklärung

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