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Thema: 100 Packungen D-Fluoretten

  1. #1
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    100 Packungen D-Fluoretten

    Hallo allerseits,

    wie würden Sie entscheiden, wenn jemand 100 Packungen D-Fluoretten haben möchte? Abgeben oder verweigern? Und mit welcher Begründung? Einzige mir bekannte Zusatzinfo: Die Tabletten sollen ins Ausland gehen.

    Vielen Dank schonmal!
    Isoprop

  2. #2
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    ...schon aufgrund der hierher übertragenen Beschreibung des oben aufgeführten Fallbeispiels,
    ließen sich sicherlich Pharmazeutische Bedenken nennen, um eine Ablehnung zu rechtfertigen...

    An sich ist eine Packung D-Fluoretten nicht verschreibungspflichtig, demnach auch 100x 1 Packungen nicht,
    allerdings gilt es Missbrauch und Intoxikation zu vermeiden (die Begründung für den Kauf von 100 Packungen scheint mir nicht ganz schlüssig)!

    Betrachtet man neben dem in den Tbl enthaltene Vitamin D3 das Fluorid, gilt zu bedenken, dass bsp. elmex gelee (Fluorid-Zahngel) in der 38g-Größe rezeptpflichtig ist, nicht aber die kleine Tube (ähnlich andere Arzneimittel (s. Analgetika wie Paracetamol))... Den genauen Hintergrund im Fall des elmex gelee kenne ich nicht, möchte aber zumindest diese Anmerkung abgeben ; ) vielleicht weiss jemand mehr?!?!?!?!

  3. #3
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    Danke für die erste Antwort! :-)
    Und guter Hinweis - auf eventuelle Verschreibungspflicht von größeren Mengen bin ich bisher noch nicht gekommen...

    Recherche ergibt:
    § 1 AMVV:
    Arzneimittel,
    1. die in der Anlage 1 zu dieser Verordnung bestimmte Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder
    2. die Zubereitungen aus den in der Anlage 1 bestimmten Stoffen oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder
    3. denen die unter Nummer 1 oder 2 genannten Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen zugesetzt sind oder
    4. die in den Anwendungsbereich des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Arzneimittelgesetzes fallen,

    dürfen nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschreibung abgegeben werden (verschreibungspflichtige Arzneimittel), soweit in den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist.

    ... aus Anlage 1:
    Colecalciferol
    - ausgenommen in Zubereitungen
    a) zur Anwendung bei Menschen, sofern auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen eine Tagesdosis bis zu 1 000 I.E. (entspricht 0,025 mg) Colecalciferol angegeben ist,
    b) zur Anwendung bei Tieren, sofern auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen eine Tagesdosis bis zu 10 000 I.E. (entspricht 0,25 mg) Colecalciferol angegeben ist -

    Fluoride, lösliche,
    - sofern nicht auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen eine Tagesdosis angegeben ist, die einem Fluorgehalt bis zu 2 mg entspricht -
    - ausgenommen in Zubereitungen als Gel zur lokalen Anwendung an den Zähnen in Packungsgrößen bis zu 25 g, sofern auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen angegeben ist, dass die Anwendung auf Erwachsene und Kinder ab dem vollendeten 6. Lebensjahr sowie auf eine einmalige Dosis pro Woche, die einem Fluorgehalt bis zu 7 mg entspricht, beschränkt ist -

    Zitat Ende.

    Bei beiden Stoffen gibt also offensichtlich die äußere Kennzeichnung den Ausschlag. Ich muss zugeben, dass mir noch nie auf einer dieser Packungen ein Hinweis auf die Tagesdosis aufgefallen ist. Aber muss ja, sonst wäre ja auch eine einzelne Packung schon verschreibungspflichtig.

    Der Kunde war leider nicht bei mir, ich hätte ihn bis zur letzten Info ausgequetscht... Vielleicht arbeitet er in Mali in einem Kinderheim? Vielleicht will er es in Vietnam aufm Schwarzmarkt als Wunderheiler an arme und verzweifelte Muttis verhökern? Ist es für ein eigenes Kind, das er mit 10 Tabletten täglich vergiften wird?


    Das Thema bleibt aktuell - noch war er nicht wieder da...
    isoprop

  4. #4
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Alexander Ravati
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    Hallo zusammen,

    hier ist also der Sachverhalt klar.
    1. Ein Verdacht auf Mißbrauch darf nach § 17 grundsätzlich nicht vorliegen. Falls doch muss dieser Verdacht geklärt werden. Bei einer Bestellung von 100 Packungen mahne ich zur Vorsicht. Das mag im Einzelfall erklärbar sein, ist jedoch verdächtig für Mißbrauch oder Fehlgebrauch. Außerdem drängt sich der Verdacht auf, dass ein gewerblich agierender Kunde die Bestimmungen des AMG zur Großhandelserlaubnis mit AM nach § 52a umgehen will.

    Auch das Greifen von Verschreibungspflicht ist generell zu prüfen. Hierzu gab es in der Vergangenheit zahlreiche Testkäufe in Apotheken in denen ein Verstoß gegen die Verschreibungspflicht unterstellt werden sollte (tw. als Racheaktion. e.g.: EAV gegen Bayerische Apotheken der Inhaber in den beiden Verbänden organisiert waren). Ob jedoch automatisch eine Verschreibungspflicht greift, wenn jemand 2 Packungen Paracetamol a 20x500mg oder 5 Packungen Formigran (5x2 Tabl.) kauft ist derzeit juristisch MEHR ALS FRAGLICH! Ich bin hier sehr gespannt auf ein höchstrichterliches Urteil.
    Bis dahin sollten Sie bei solchen Bestellungen vorsichtig sein - auch wenn Ihre Begründung (nur) "Verdacht auf Mißbrauch" lautet uns Sie dem Kunden gegenüber sicherheitshalber einfach nur behaupten "das ist dann aber verschreibungspflichtig"
    Beste Grüße, Ihr Dr. Alexander Ravati,

    Apotheker, Ihr Experte im Forum Spezielle Rechtsgebiete und Pharmazie
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  5. #5
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    Danke für die Antwort. Der Kunde ist (zum Glück) nicht wiedergekommen. Aber für die nächste derartige Anfrage ist das ja durchaus noch relevant. Ich entnehme Ihren Zeilen, dass Sie es vorsichtshalber verweigert hätten.

    Dass ich bei Verdacht auf Missbrauch nicht abgebe, ist mir klar, das ist ein Recht, das ich mir auch nicht wegnehmen lasse. Habe mir auch schonmal von nem Kunden, der viel Salzsäure und Natronlauge für irgendein Gerät an einem riesigen Fischbecken haben wollte, die Bedienungsanleitung mit entsprechender Wartungsvorschrift mitbringen lassen. Und er musste mir Geschichten über seine Fische erzählen bis jeder Zweifel ausgeräumt war ;-). Hätte der Fluoretten-Mann mir eine plausible Geschichte erzählt, ohne viel nachzudenken à la "Moment, ich muss mir erst was ausdenken", hätte ich es ihm wahrscheinlich gegeben. Weil hier ja eben nicht die Menge die Begrenzung zur Verschreibungspflicht darstellt, sondern die Aufschrift auf der einzelnen Packung.


    Aber eine Anschlussfrage habe ich wegen der angesprochenen Umgehung der Großhandelserlaubnis doch noch: Wenn er das weiterverkauft (an wen??) und auffliegt - könnten die uns dann dran kriegen? Wenn wir eine Unterschrift haben, dass es z.B. für ein Kinderheim in Vietnam ist?

    Lg
    isoprop

  6. #6
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Alexander Ravati
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    Hallo,

    inwieweit Sie bei nicht Beachtung von § 52a AMG (GH-Erlaubnis) als Lieferant bei solchen grenzwertigen Fällen belangt werden können, kann ich nicht beurteilen.
    Nochmals zur Rechtslage:
    Damit § 52a greift, muss "Großhandel" im Sinne § 4 AMG vorliegen. Dort heißt es:
    "Großhandel mit Arzneimitteln ist jede berufs- oder gewerbsmäßige zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der Beschaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht, mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an andere Verbraucher als Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte oder Krankenhäuser."
    Wenn das wirklich für die armen Kinderlein (also "caritativ", also nicht gewerbsmäßig) im Ausland sein soll, dann bleibt immer noch die Definition "Berufsmäßig".
    Auf der sicheren Seite sind Sie also, wenn diese Person das ganze privat und hobbyhelfend macht. Falls die da von berufswegen rangehen möchte, empfehle ich Ihnen, bei sehr großen Bestellungen Rücksprache mit Ihrer Kammer oder zuständigen Ü-Behörde zu halten.
    Beste Grüße, Ihr Dr. Alexander Ravati,

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  7. #7
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    Hallo,

    ergänzend sei noch angemerkt, dass z.B. Testkäufe in Apotheken zu 5 Packungen a 2 Stück Naratriptan (Formigran)- angeblich dann verschreibungspflichtig - die zu einer Klage gegen den Apotheker geführt hatten, 2013 vom OLG München abgeschmettert wurden.
    Aus dem Urteil (mod.)
    "rx-Pflicht liegt NICHT vor. Denn der Verordnungsgeber hat – anders als bei anderen Ausnahmen von der Verschreibungspflicht – die Rezeptfreiheit ausdrücklich nicht an eine Beschränkung der Packungszahl gekoppelt."

    Für mich ist die Sache rechtlich mittlerweile geklärt!

    Maßgeblich war das Beispiel Dexamethason. Hierzu steht in den Anlagen der Verschreibung-VO
    "Dexamethason und seine Ester
    – ausgenommen Dexamethasondihydrogenphosphat zur einmaligen parenteralen Anwendung in wässriger Lösung in Ampullen/Fertigspritzen mit 40 mg Wirkstoff und bis zu maximal 3 Packungseinheiten (entsprechend 120 mg Wirkstoff) für die Notfallbehandlung schwerer anaphylaktischer Reaktionen beim Menschen nach Neuraltherapie bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes –"

    Oder anders gesagt: Will der Gesetzgeber eine BEschränkung der Packungsanzahl, dann schreibt er es auch ausdrücklich so in die VO rein.
    Und wenn er es NICHT reinschreibt (wie bei Paracetamol, Naratriptan, Diclofenac ........ etc...) dann ist die Anzahl der Packungen auch NICHT automatisch begrenzt (im Sinne VerschreibVO!

    PS: Bitte aber immer auch § 17 ApBetrO beachten bei Verdacht auf Mißbrauch oder Fehlgebraucht IST die Abgabe zu verweigern (allerdings nicht wegen angeblicher Verschreibungsplficht)!
    Beste Grüße, Ihr Dr. Alexander Ravati,

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