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Thema: Titration von Arzneistoffen

  1. #1
    Premium-User Avatar von Eric Kreuzmann
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    Titration von Arzneistoffen

    Guten Tag,
    ich habe da die ein oder andere Frage zur Titration von Arzneistoffen.

    1. Vinylogie/Phenylogie-Prinzip:
    In der Literatur findet man, dass beispielsweise beim Coffein der doppelt gebundene Stickstoff im Imidazol-Ring protoniert wird obwohl dieser ja eigtl. mit in die vinyloge Harnstoffstruktur eingebunden ist. In wie weit muss/darf man das Vinylogie/Phenylogie -Prinzip bei Gehaltsbestimmungen oder Reaktionen von Arzneistoffen berücksichtigen?

    Wie viele Äquivalente Säure würde man dann beispielsweise bei Aciclovir verwenden? Hierbei haben wir ja sowohl eine gekoppelte Guanidin- Carbonsäureamidstruktur, als auch ein azaanalogen vinylogen Harnstoff vorliegen.



    2. Titration von Säureamiden
    Lassen sich diese gut mit TBAH titrieren ?

    Werden beim Furosemid alle 3 Stickstoffe deprotoniert?


    Vielen Dank schon einmal im Voraus

  2. #2
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Christoph Behrendt
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    Guten Tag zurück,

    zu 1: Coffein ist das einzige Methylxanthin, welches nicht sauer reagieren kann, da alle freien Wasserstoffatome durch Methylgruppen ersetzt wurden. Der pKs der Base Coffein liegt bei 0.6, es handelt sich also um eine sehr schwache Base, die nur unter wasserfreien Bedingungen mit Perchlorsäure in Eisessig titriert werden kann. Das von Ihnen angesprochene Vinylogieprinzip spielt für Coffein zur Erklärung der SCHWACH basischen Eigenschaften durchaus eine entscheidende Rolle. Der vinyloge Elektronenzug verarmt das Amidinstickstoff an Position 9. Sobald ein acides Wasserstoffatom an Position 7 (wie beim Theobromin, pks(Säure):10.05; pks(Base): 0.12) vorliegt, ist die vinyloge Säureamidstruktur für die Stabilisierung der deprotonierten, anionischen korrespondierenden Base wichtig.
    Also: zur Abschätzung der Säure- und Basestärken von Arzneistoffen ist die Vinylogie/Phenylogie mitunter entscheidend, damit auch für Säure-Base-Titrationen.
    Für die Titration von Aciclovir wird ein Äquivalent Perchlorsäure verbraucht (potentiometrische Indizierung), höchstwahrscheinlich an N-7, da hier die höchste Elektronendichte vorliegt. Die pKa-Werte für Aciclovir liegen bei pks(HA -> N-1): 9.3 und pKs(HB+ -> N-7) : 2.3.

    Zu 2: Säureamide lassen sich nur bei Vorliegen von elektronenziehenden Substituenten, die die Acidität (normalerweise pKs ca. 15) erhöhen, mit TBAH in DMF titrieren -> z.B. Imide oder ähnliches. Ansonsten kommt es bei stark basischen Bedigungen schnell zur Hydrolyse.
    Furosemid (pks (COOH) = 3.9) wird in DMF gelöst und die Carbonsäure wird gegen Bromthymolblau mit Natronlauge (0.1 M) titriert. Ob Furosemid mit TBAH titriert werden kann, ist mir nicht bekannt. Aber wenn, dann ist eher zu erwarten, dass nur zwei Äquivalente verbraucht werden: eines für COOH und eines für die Sulfonamidgruppe. Nachdem ein Proton durch TBAH abgspalten wurde und das Anion des Sulfonamids in einer salzartigen Verbindung mit TBammonium vorliegt, ist ein weiterer Angriff durch TBAH fast unmöglich.
    Geändert von Dr. Christoph Behrendt (10.02.2013 um 15:12 Uhr)
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  3. #3
    Premium-User Avatar von Eric Kreuzmann
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    Hallo Herr Dr. Behrendt,
    vielen Dank für ihre ausführliche Antwort.
    Unser Prof meinte zu uns, dass ein Amid-Stickstoff niemals protoniert wird. Diese absolute Äußerung habe ich mir zu Herzen genommen, weshalb mir dieProtonierung des Stickstoffes im Coffein etwas zu schaffen machte.

    Dann hätte ich noch eine Frage zur gleichen Thematik. Nach meinem Wissen reagiert Phenylhydrazin mit Aldehyden und Ketonen zum entsprechendenHydrazon. Nun hatten ich gesehen, dass beispielsweise auch Donepezil selbige Reaktion eingeht, obwohl es sich dabei um einen phenylogen Carbonsäureester handelt. Stellt dies eine Ausnahme dar oder reagieren entsprechende Carboylverbindungen genauso.

    Zu 2. Lässt sich also sagen, dass einfache Carbonsäureamide zur Gehaltsbestimmung gänzlich ungeeignet sind ?

    Beim Durchlesen ist mir aufgefallen, dass ich eigtl. Hydrochlorothiazid und nicht Furosemid meinte, daher auch die Frage nach den 3 Stickstoffen.

    nochmals vielen Dank für Ihre Antwort.

  4. #4
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Christoph Behrendt
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    Lieber Herr Kreuzmann,

    ein Carbonsäureamid-Stickstoff wird eher am Carbonylsauerstoff protoniert als am amidischen Stickstoff, woraufhin eine saure Hydrolyse eintritt. Bei Coffein ist das Stickstoff des Imidazols nicht direkt mit der Carbonylgruppe verbunden, so dass der Elektronenzug des vinylogen Harnstoffs im Coffein nur für die Abschwächung der Basizität der Imidazolteilstruktur eine Rolle spielt. Die Aussage Ihres Profs bezog sich aber auf "echte" Amide und nicht auf vinyloge Strukturanaloga. Phenylhydrazin ist durch den beta-Effekt (elektronenschiebender Stickstoff in Nachbarschaft) an dem primären Stickstoff sehr reaktiv, sprich nukleophil. Ein Elektrophil wie das Carbonylsäurestoff eines Esters bildet einen optimalen Reaktionspartner, so dass ein Hydrazid (Cave: kein Hydrazon!) resultieren kann. ABER: Bei Donepezil findet eine klassische Kondensationsreaktion zwischen dem aromatischen Keton und der Hydrazingruppe zum Hydrazon statt, so wie sie es anfangs beschrieben haben. Die Phenylogie, welche sie sehr aufmerksam entdeckt haben, beschert der Carbonylgruppe eine abgeschwächte Reaktivität (+M-effekt der Methoxygruppen). Das aromatische Keton kann aber nie wie ein Carbonsäureester in SN2t-Reaktionen agieren, was sie sicher auch nicht meinten. Die ausgesprochene Reaktionsfähigkeit von Phenylhydrazin
    (deshalb auch toxisch) reicht aus, dass auch donepezil reagiert.
    Zu 2: Nein, Gehaltsbestimmungen sind möglich, allerdings wären spektroskopische Methoden wie IR und v.a. UV/VIS pragmatischer. Ansonsten müsste man ein Carbonsäureamid erst hydrolysieren und die Hydrolyseprodukte volumetrisch bestimmen, z.B. in einer Verseifungstitration.
    Die Gehaltsbestimmung von HCT erfolgt als zweiwertige Säure (pks1 : 8.6-9.5 (je nach Literatur) und pKs2 : 9.9-11.3 (je nach Literatur)) mit 0,1 molarer TBAH-Lösung und potentiometrischer Endpunktbestimmun. Wobei jeweils die Sulfonamide erfasst werden, das aromatische Amin reagiert nicht sauer.
    Geändert von Dr. Christoph Behrendt (10.02.2013 um 15:53 Uhr)
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  5. #5
    Premium-User Avatar von Eric Kreuzmann
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    und nochmals vielen Dank Herr Dr. Behrendt,

    da habe ich den Einfluss von Phenylogie/Vinylogie wohl ein wenig überschätzt, aber jetzt macht das Ganze doch mehr Sinn.

    Ich hätte eigtl. gedacht, dass gerade das aromatische Amin sauer reagiert, da es in Konjugation zu beiden Sulfonylgruppen steht ?

  6. #6
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    Ne, da haben sie das Prinzip tatsächlich etwas fehlgedeutet. Wenn sie nämlich den Phenylring gedanklich wegnehmen und das aromatische Amin an die Sulfonamidstruktur "anheften", resultiert ein Schwefelsäurediamid. Und das reagiert auch nicht NH-azide.

    VG und noch einen schönen Sonntag.

    Achso, und den Doktor können sie in der Anrede ruhig weglassen. Uni-Mitarbeiter sprechen sich auch nicht mit Titel an, das wird als gegeben vorausgesetzt. ;-)
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  7. #7
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    Bevor ich mich jetzt verabschiede muss ich aber nochmal nachfragen warum das Schwefelsäurediamid nicht NH-acide reagiert, denn das habe ich gerade zum ersten Mal gehört. Eigtl. sollte doch aufgrund des -I-Effektes des zusätzlichen N eine eine zusätzliche Stabilisierung des Anions, im Vergleich zum Sulfonamid, erfolgen oder war ihre Aussage darauf bezogen, dass dieser nicht acide reagiert wenn schon ein Amidstickstoff deprotoniert worden ist ?

    Die Anrede spare ich mir ab sofort auch

  8. #8
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    Genau, nachdem bereits einmal von dem hypothetischen Schwefelsäureamid deprotoniert wurde, ist die Verbindung nur noch schwach, fast gar nicht azide. Nicht zu vergessen ist, dass wir uns in einem eindimensionalen Gedankenspiel befinden. Bei Betrachtung von Sulfanilamid (para-Amino-Benzensulfonamid) wird deutlich wie begrenzt die Phenylogie zur Vorhersage von absoluten Säure-Base-Eigenschaften ist (pKs1 (sulfonamid): 10.10; pKs2: 1.85).
    Natürlich ist Schwefelsäurediamid in reiner Form stark NH-azide (pKs1 ca. -6.14), da wollte ich Sie nicht verwirren.
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    Alles klar, dann kann ich jetzt beruhigt schlafen gehen.
    Vielen Dank und einen schönen Abend wünsche ich Ihnen noch .

  10. #10
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    Heutige Aussage unserer Professorin nach der Klausur, weil sie das ja nach mehrfacher Anfrage nicht sagen konnte, vinyloge/Phenyloge Amide werden nie protoniert auch, ganz egal wie weit die Konjugation geht .
    Meiner Meinung nach sprechen allein Coffein und Nicotinsäureamid dagegen und die anderen diskutierten AS dagegen, aber ich bin ja bloß Student.

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