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Thema: Allgemeine Fragen zur Rezepturherstellung

  1. #1
    Premium-User Avatar von Julian Eisenbach
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    Allgemeine Fragen zur Rezepturherstellung

    Guten Tag,

    im Zuge der neuen ApBetrO wurde ich zum Rezepturbeauftragten ernannt und beschäftige mich jetzt wieder intensiv mit diesem Aufgabenfeld. Vorher lag Dieses fest in PTA-Hand, aber nun wurde die Rolle des Apothekers ja gestärkt und so muss sich einer da wieder intensiver mit auseinander setzen. Also von daher hat die neue ApBetrO ihr Ziel bei uns zumindest erreicht ;-)

    So jetzt aber zu meinen Fragen.

    Puffersysteme
    Die Hauptinkompatibilitäten betreffen bei uns unterschiedliche pH-Optima bzw. den pH-Wert im Allgemeinen. Um dieses Problem in den Griff zu kriegen reicht es ja oft mit einem Puffersystem zu arbeiten bzw. gezielt anzusäuern/alkalisieren. Meine Frage ist nun wieviel % sollte die Menge des zugesetzten Puffersystems sein? Und bezieht man es auf die Wasserphase oder die gesammte Rezeptur? Gilt es allgemein für alle Puffersysteme oder gibt es für jedes einzelne System (Citrat, Lactat, Citrat-Phosphat, Phosphat) andere Angaben? Ich habe dazu unterschiedliche Angaben (2,5-5% auf Gesamtrezeptur bezogen) gefunden.

    Substanzen zum Ansäuern/Alkalisieren
    Gibt es noch andere, übliche(!) Substanzen zum Ansäuern (außer Citronensäure) bzw. zum Alkalisieren (außer Trometamol) für halbfeste Systeme? Wie dosiere ich das Ganze? Ausrechnen oder rantasten per Spatelspitze? Und interagieren Citronensäure bzw. Trometamol mit irgendwelchen Wirk- bzw. Hilfsstoffen? Also besteht da Inkompatibilitätsgefahr? Mir wäre keine bekannt.

    Austausch von Salicylsäure mit Harnstoff zur Keratolyse
    Bsp. Clotrimazol und Salicylsäure vertragen sich ja leider gar nicht. Jetzt könnte man dem Artz vorschlagen Salicylsäure gegen Harnstoff auszutauschen. Aber inwieweit verhalten sich die beiden Substanzen äquivalent in ihrem Verhalten zur Keratolyse? Was wäre eine ausreichende Konzentration von Salicylsäure/Harnstoff zur Keratolyse?

    Aufbrauchfrist von Rezepturgrundlagen
    Die von uns bezogene Ung. emulsif. aquos. ist z.B. vom Hersteller mit nur 6 Monaten "Haltbarkeit" deklariert. Für konservierte Cremes gelten laut NRF eine Aufbrauchfrist von 6 Monaten. Wenn meine Grundlage nun aber schon 3 Monate bei uns stand, kann ich dann nur noch eine Aufbrauchfrist von 3 Monaten angeben? Klingt irgendwie banal, aber ich meine mich zu errinern, dass z.B. bei einer Defektur sich die "Aufbrauchfrist" einer "Weiterverarbeitungsfrist" anschließt. Sind daher die Angaben von den Herstellern Weiterverarbeitungsfristen oder Haltbarkeiten?

    Wasserfreie Grundlage als Alternative bei inkompatiblen Rezepturen
    Wenn ein Arzt auf eine inkompatible Wirkstoffkombination besteht, werde ich ihm in Zukunft mit Nachdruck eine wasserfreie Grundlage emfehlen, da durch das fehlende Wasser ja die meisten Inkompatibilitäten ausgeschlossen sind. Wenn er mir daraufhin erklärt, dass eine akute Erkrankung der Haut und keine Chronische vorliegt, dann werde ich mit "Entweder, oder Herr Doktor" argumentieren. "Entweder eine kompatible Rezeptur mit der von Ihnen vorgeschlagenen Grundlage oder eine Rezeptur mit den von ihnen genannten WS aber in einer wasserfreien Grundlage." Sollte er dann immer noch auf "seiner" Rezeptur bestehen (oder wutentbrannt aufgelegt haben ;-)) dann werde ich je nach Fall eine stark verkürzte Aufbrauchfrist angeben (1-7 Tage).
    Spricht irgendetwas (außer die gängige Praxis in vielen anderen Apotheken) gegen dieses Verhalten?


    Das war es erstmal. Das werden aber sicherlich nicht die letzten Fragen bleiben ;-)

    Mit freundlichen Grüßen,
    Julian Eisenbach
    Geändert von Julian Eisenbach (16.08.2012 um 12:13 Uhr)

  2. #2
    Kompetenz-Manager Avatar von Antje Lein, Dipl.-Pharm.
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    Hallo Herr Eisenbach,

    einige der von Ihnen angesprochenen Themen werden wir in Kurzbeiträgen in den nächsten Ausgaben der Pharmazeutischen Zeitung aufnehmen. Schauen Sie doch bitte dort einmal hinein.

    Zu den pH-Optima, pH-Einstellung und Puffersystemen: Die pH-Optima definieren wir beim NRF nicht. Vielmehr werden rezeptierbare pH-Bereiche in den Tabellen für die Rezeptur genannt. Auf das Optimum einstellen hieße, dass eine ganze Reihe von Kombinationsrezepturen gar nicht mehr funktionieren würden. Deshalb soll es mit pH-Korrekturen oder Pufferung auch nicht auf die Spitze getrieben werden. Eine ganze Reihe von Rezepturen kommen ohne dies aus. Dass man zum Einsatz von Puffersystemen im NRF so gar nichts finden kann, sehe ich anders. Es kommt darauf an, was und wie man sucht, und was man sich vom Suchergebnis erwartet. Ich würde immer zuerst schauen, ob es eine standardisierte Rezeptur gibt, die der Verordnung ähnlich ist. Daraus lassen sich Analogieschlüsse ziehen. Nehmen Sie zum Beispiel die NRF-Vorschriften 11.37. und 11.47. mit Betamethasonvalerat. Die eine enthält einen Puffer, weil die Grundlage keine nennenswert pH-aktiven Bestandteile enthält. Art und Menge des Puffers sind angegeben. Das lässt sich auf Rezepturen mit vergleichbaren Voraussetzungen übertragen. Die andere ist nicht gepuffert, weil sich der geeignete pH-Wert schon über die Konservierung einstellt. Da der Zusatz von pH-Regulanzien oder Puffern experimentell am genauesten festzulegen ist, sollte man sich an geprüften Rezepturen orientieren. Ein Blick in die NRF-Rezepturhinweise kann auch helfen, weil wir dort Daten aus dem Labor einpflegen, für die es keine NRF-Rezepturen gibt.
    Zum Austausch von Salicylsäure gegen Harnstoff: Die Idee ist gut, ob es dazu mit Blick auf die Hautbehandlung Wirksamkeitsbelege gegenüber der Kombination mit Salicylsäure gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Bekannt ist die Kombination bei der Behandlung von Nagelmykosen. Dabei wird Harnstoff hoch konzentriert (um 40 %) eingesetzt. Für eine keratolytische Wirkung wird man wenigstens 15-20 % Harnstoff brauchen.
    Zu wasserfreien Grundlagen bei Unverträglichkeiten: Die Maßnahme ist allein mit Blick auf chemische Unverträglichkeiten nachvollziehbar. Man darf aber nicht vergessen, dass die Grundlagen auch selbst zur Wirkung beiträgt und die Akuität der Erkrankung berücksichtigen müssen. Es ist dem Patienten nicht gedient, wenn zum Beispiel die akut entzündete Haut mit einer Fettsalbe "zugekleistert" wird. Durch die Okklusion kann die Entzündung noch stärker aufblühen. Die Begrenzung der Haltbarkeit kann dagegen tatsächlich ein gutes Mittel sein. Das schlagen wir beim NRF auch häufig vor, wenn die Rezeptur höchstens suboptimal ist. Legen Sie dem Arzt diese Entscheidung ruhig auch schriftlich vor. Aus Korrespondenz mit einigen Praxisapothekern wissen wir, dass sich durch entsprechende Maßnahmen durchaus Umdenken und Kompromissbereitschaft erzielen lassen.

    Es ist uns klar, dass Apotheker und Ärzte noch eine Weile brauchen werden, um das gleiche Verständnis für die Erfordernisse bei der Rezepturherstellung zu erhalten. Jetzt haben wir aber, durch den Gesetzestext gestützt, die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit dafür zu erhöhen. Wir sollten deshalb aber keinesfalls in blinden Aktionismus verfallen, sondern bei der Bewertung der Rezepturen mit Augenmaß vorgehen. Es ist tatsächlich nicht alles plötzlich schlecht, was sich in der ärztlichen Praxis bewährt hat.

    Viele Grüße
    Antje Lein
    Antje Lein, NRF, Apothekerin: Ihre Expertin im Forum Schwierige Rezepturen
    Rechtlicher Hinweis: Die hier eingestellten Kommentare geben die persönliche Meinung des Beitragstellers wieder und haben keinerlei rechts- empfehlenden oder rechtsbindenen Charakter.

  3. #3
    Premium-User Avatar von Julian Eisenbach
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    Erstmal vielen Dank für Ihre Antwort!
    Mit den Puffern bin ich mitlerweile schon wesentlich weiter. Nachdem ich meinen chemischen Sachverstand mal wieder reaktiviert habe, weiß ich nun das man die zugeführte Menge an Puffersubstanz nur der wässrigen Phase anpassen muss und das man die Menge den abzupuffernden Substanzen anpassen muss. Hatte letztens den Fall 1% Clotrimazol in NRF 11.37. Die Menge Citrat Puffer aus der 11.37 wäre mit dem ganzen Clotrimazol überlastet und so müsste man die Menge an Puffer erhöhen (wäre dann aber eh auf einen zu niedrigen pH eingestellt) oder noch besser, wie in den NRF Rezepturhinweisen beschrieben, das ganze mit Na EDTA einstellen.
    Das mit der Salicylsäure und dem Harnstoff kommt von einer Fortbildung bzw. steht auch so in diversen pharmazeutischen Fachbüchern zu dem Thema. Genaueres leider nie. Harnstoff wird m.E. von den Medizinern eher als Penetrationsbeschleuniger und Hydratisierungsmittel gesehen. Die Salicylsäure hat aber ihren festen Stellenwert zur Keratolyse (v.A. in der Behandlung der Psoriasis). Das eine gegen das andere auszutauschen wird bei den Ärzten wahrscheinlich nicht auf viel Zuspruch treffen, v.a. wenn man als Apotheker nicht begründen kann wieviel Harnstoff man dann eigentlich braucht. Die Hautärztin Yael Adler hingegen beschreibt in ihrem Buch "Hautkrankheiten" das man zur Behandlung der Keratosis pilaris entweder mit 10%iger Salicylvaseline NRF 11.43 oder mit 10%iger Harnstoffcreme (z.B. 11.71) therapieren kann. Aber ein richtiger Vergleich ist das auch noch lange nicht.
    Zum Thema wasserfrei Grundlage als Alternative haben Sie völlig Recht. Das hatte ich unterschätzt, aber zum Teil ist die Grundlage zumindest kurzfristig erstmal wichtiger als der WS. Eine Frage am Rande, dürfte ich die Grundlage eigentlich ohne Arztrücksprache austauschen? Also gilt sie rechtlich gesehen als Hilfsstoff oder Wirkstoff?

    Und nochmal zu der ganzen Problematik Plausibiliätsprüfung. Ich habe letztens gelesen, dass ungefähr 40% der im Umlauf befindlichen Individualrezepturen von zweifelhafter Qualität im Hinblick auf die Kompatibilität sein sollen. Wenn dem so ist, frage mich warum die Apotheker das jahrelang ignoriert haben? Die Plausibilitätsprüfung ist von der Dokumentation her ja vielleicht neu, aber die Pflicht zur Herstellung von qualitativ hochwertigen Individualrezepturen haben wir ja nun nicht erst seit der neuen ApBetrO auferlegt bekommen.

    Ach und kennt jemand eine Übersicht über topisch anzuwendende Fertigarzneimittel? Manchmal schafft es die Pharmaindustrie ja die unmöglichsten Wirkstoffkombinationen hinzuzaubern und dabei v.A. stabil zu halten. Von daher könnte man dem Arzt ja auch mal ein geeignetes FAM vorschlagen.
    Geändert von Julian Eisenbach (25.08.2012 um 17:53 Uhr)

  4. #4
    Kompetenz-Manager Avatar von Antje Lein, Dipl.-Pharm.
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    Hallo Herr Eisenbach,

    Sie hatten noch zwei Fragen im Text versteckt. Was die eigenmächtige Austauschbarkeit von Grundlagen angeht, gibt es, wie so oft, keine verbindliche Festlegung. Ob man bei der Frage, was Arztrücksprache unbedingt erfordert und was nicht, rasch zu einer Einigung kommt, glaube ich nicht. Die Meinungen gehen da auseinander, und die Situation, in der Sie die Entscheidung fällen müssen, spielt auch eine Rolle. Also zum Beispiel das Wochenendszenario, wenn der Arzt nicht mehr erreichbar ist, Sie aber den Patienten beliefern müssen. Ich persönlich hätte zum Beispiel kein Problem damit, in der Charakteristik sehr ähnliche anionische hydrophile Cremes gegen nichtionische auszutauschen oder umgekehrt, wenn es die Stabilität der Rezeptur nötig macht, also zum Beispiel die entsprechenden DAB-Cremes oder die Cremes nach SR DAC jeweils gegeneinander. Die Fairness gebietet es meines Erachtens nach aber, dass man den Arzt dann nachträglich formal über die Änderung informiert. Bestenfalls wird er das bei zukünftigen Verordnungen berücksichtigen.

    Mit der Plausibilitätsprüfung haben Sie völlig Recht. Die ist im Grunde nicht neu, weil es die Sorgfaltspflicht schon immer gebot, die Rezepturen auf ihre Richtigkeit und Machbarkeit zu überprüfen. Wir haben das in Seminaren und Publikationen auch immer so dargestellt, schon vor Jahren. Deshalb haben wir uns beim NRF auch ein bisschen überrollt gefühlt, als die Anfragenflut dazu über uns hereinbrach. Ich denke, dem einen oder anderen wird gar nicht aufgefallen sein, dass er gedanklich früher schon vieles abgeprüft hat, was er im Grunde nun nur noch aufschreiben muss. Ansonsten haben Sie es eigentlich schon ganz richtig erfasst und ehrlich ausgesprochen, welche Gedanken einem dabei so kommen können...

    Viele Grüße
    Antje Lein
    Antje Lein, NRF, Apothekerin: Ihre Expertin im Forum Schwierige Rezepturen
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