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Thema: Pharmazeutische Bedenken bei Schilddrüsenhormonen

  1. #1
    Premium-User Avatar von Julian Eisenbach
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    Pharmazeutische Bedenken bei Schilddrüsenhormonen

    Guten Tag,

    hier mal eine, rein aus Neugier gestellte, Frage, die mich immer mal wieder beschäftigt und die mir doch noch keiner ausreichend beantworten konnte.

    Es geht um die "Nicht-Austauschbarkeit" von Schilddrüsenhormonen. Ich nehme mal an, die meisten Apotheken sehen zu, dass ihre Patienten stets dasselbe T4-Präparat bekommen, zumindest tun wir das. Was aber nicht heißen soll, dass ich verstehe warum wir das tun

    Zur kurzen Info, mal den DAP Text zu dieser problematischen Indikationsgruppe:
    Austauschbarkeit von Schilddrüsenhormonen

    Die Aut-idem-Substitution bei Schilddrüsen-Therapeutika ist gleich aus mehreren Gründen problematisch. Dies lässt sich an dem am häufigsten verordneten Schilddrüsen-Wirkstoff Levothyroxin deutlich machen:

    Geringe therapeutische Breite

    Levothyroxin besitzt eine enge therapeutische Breite. Ernsthafte Nebenwirkungen können bereits bei Abweichungen um den Faktor 2 von der individuell benötigten Dosierung auftreten. Bei Überdosierung kann es zu Herz-Kreislauf-Problemen, einschließlich morphologischer Veränderungen am Herzen kommen. Bei Unterdosierung drohen Gewichtszunahme und Obstipation.

    Patientenindividuelle Dosisfindung

    Bei der therapeutischen Dosisfindung sind patientenindividuelle Faktoren wie Alter, Gewicht und weitere Erkrankungen des Patienten relevant. Zur Bestimmung der individuell benötigten Dosis müssen bei jeder Neueinstellung engmaschige TSH (thyreoidea-stimulierendes Hormon) -Bestimmungen erfolgen. Dieses ist auch 4-6 Wochen nach jeder Präparate-Umstellung erforderlich, was angesichts der geringen Preisunterschiede vergleichbarer Präparate eine mögliche Ersparnis wirtschaftlich stark relativiert.

    Problematische Resorption

    Die Resorption ist stark von der Nahrungsaufnahme abhängig. Die Bioverfügbarkeit sinkt von etwa 80 % bei Einnahme 30-60 Minuten vor dem Essen auf ca. 35 % bei einer Einnahme zum Essen.

    Wechselwirkungen

    Levothyroxin zählt zu den Medikamenten mit häufigen Wechselwirkungen. Es verstärkt z. B. die Cumarinwirkung und mindert die blutzuckersenkende Wirkung von oralen Antidiabetika. Levothyroxin seinerseits wird bspw. durch Colestyramin, Rifampicin, Aluminium, Eisen sowie calciumcarbonat-haltige Produkte in der Wirkung gemindert.

    Auswirkungen auf zahlreiche Organe

    Wenn eine gut eingestellte Schilddrüse durch einen oder gar mehrere Präparatewechsel aus dem Gleichgewicht gerät, so kann dies auch zahlreiche andere Organe betreffen: Herz und Kreislauf, Magen und Darm, Nerven und Muskeln, Wachstumsstörungen an Haut, Haaren und Nägeln, und auch das psychische Gleichgewicht.
    Quelle: http://www.deutschesapothekenportal....enhormone.html
    Soweit ich weiß hat T4 eine Halbwertszeit von ~7 Tagen und wird bedarfsgerecht in T3, der eigentlichen Wirkform, umgewandelt. Zudem ist die Resorption mehr als problematisch, wegen der hohen Beeinflussung durch die Nahrung (s. Info)
    Da ja jedes Generikum Bioäquivalenzstudien durchlaufen muss und daher in bestimmten Intervallgrenzen (weiß da vielleicht jemand die genauen Grenzen?) in punkto cmax, tmax und AUC dem Ausgangspräparat entsprechen muss, verstehe ich die ganze Aufregung bei einem Präparat mit einer Halbwertszeit von 7 Tagen und einer so problematischen Resorption nicht. Um es zu einer überspitzten These zusammenzufassen, ich würde sagen, dass es einen größeren Unterschied macht wenn man sein Schilddrüsenhormon 27 statt 28 Minuten vor dem Frühstück nimmt als wenn man ein Präparatewechsel vornimmt!

    Die von dem DAP aufgeführten Erklärungen können doch wohl nicht alles sein. Oder übersehe ich irgendwas? Bitte klärt mich auf! Ich freue mich über jede Antwort!

    Mit freundlichen Grüßen,
    Julian Eisenbach
    Geändert von Julian Eisenbach (05.03.2011 um 14:11 Uhr)

  2. #2
    Premium-User Avatar von André Pour Esmailiyeh
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    Leider hab ich die quelle nicht mehr parat, aber es gab mal eine untersuchung zur bioverfügbarkeit der unterschiedlichen generika.
    da wurden abweichungen von ca. +/- 25% gefunden (erlaubt sind 80 bis 125 %), was im µg bereich und grade bei hormonen ja extrem hoch ist. heißt also ein wechsel von l-thyoxin xy 100µg zu l-thyoxin yx 100µg kann einen unterschied von bis zu 45% sprich 45µg!!! in der bv ausmachen.

    grüße andré
    und bitte wie versprochen freuen
    Ich freue mich über jede Antwort!
    Geändert von André Pour Esmailiyeh (19.03.2011 um 20:50 Uhr)

  3. #3
    Kompetenz-Manager Avatar von Prof. Dr. Hartmut Morck
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    Die Frage nach der Austauschbarkeit bei Schilddrüsenhormen ist nicht so einfach zu beantworten, wie es im DAP gemacht wurde. Viele der dort aufgeführten Argumente, wie problematische Resorption in Abhängigkeit mit der Nahrungsaufnahme, Wechselwirkungen und Auswirkung auf zahlreiche Organe sind unabhängig von einem Austausch zu sehen. Natürlich haben wirksamen Schilddrüsenhormene eine enge therapeutische Breite. Das gilt allerdings nicht für das Prodrug Thyroxin (T 4) mit einer Halbwertszeit von 7 Tagen, was normalerweise eingenommen wird. Aus T 4 wird bedarfsgerecht T3 gebildet, das wirksame Hormon mit einer Halbwertszeit von 20 Stunden. Diese Tatsache relativiert die Bioverfügbarkeitangaben zum T4 und auch die "enge therapeutische Breite". Da T4 in T3 mit Hilfe körpereigener Oxydasen überführt wird, wird deutlich, dass die Verfügbarkeit des T3 von der Aktivität der Enzyme und der Wirksamkeit an den entsprechenden Rezeptoren abhängt. Hier liegt auch die pathologische Begründung der Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion. Das heißt, für die Wirksamkeit ist weder die galenischen Form noch das zugeführte T4 verantwortlich zu machen.
    Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Pharmazeutische Gesllschaft (DPhG) in der 2002 erarbeiteten Leitlinie "Gute Substitutionspraxis (GSP)" die Schilddrüsenhormonpräparate nicht in die Gruppe eingeordnet, bei denen ein Substitution kritisch sein kann.
    Trotzdem halte ich es für vernünftig, dass ein Patient, der auf ein Präparat gut eingestellt ist, "sein" Produkt auch weiter bekommen sollte, auch wenn der Placeboeffekt bei Schilddrüsenpräparaten nur eine untergeorndete Rolle spielen dürfte.

    Hartmut Morck
    Geändert von Prof. Dr. Hartmut Morck (13.03.2011 um 17:08 Uhr)

  4. #4
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    Guten Tag,
    wie sieht es denn "Formal" aus?! Wir haben da leider noch Diskussionsbedarf bei uns:

    a) Henning ist verordnet
    --> Rabatt ist 1A, Kunden hatte immer Henning, geben wir also auch Henning ab mit Sonderkennzeichen & Begründung

    b) Henning ist Verordnet
    --> Rabtt ist Henning, Kunde hatte aber immer 1A --> Was nun !? Ist es trotzdem möglich Pharmazeutische Bedenken anzuwenden weil ja auf dem Rezept nicht mal die Richtige Firma drauf steht ?!

    Vielen Dank!

  5. #5
    Kompetenz-Manager Avatar von Prof. Dr. Hartmut Morck
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    Ohne für die Richtigkeit meiner Antworten auf die Fragen von Ebony Schiel haftbar gemacht zu werden, möchte auf die beiden Beispiele bezüglich der Austauschbarkeit von Schilddrüsenhormonpräparaten Antworten geben:
    a) Henning verordnet, Rabattartikel ist 1A. Kunde hatte immer Henning. In diesem Fall kann Henning abgegeben werden mit Bezug auf Pharmazeutische Bedenken. (Compliance des Patienten ist gefährdet)
    b) Henning verordnet, Rabattartikel Henning. Kunde hatte immer 1A. Auch in diesem Fall kann A1 abgegeben und pharmazeutische Bedenken angemeldet werden, mit der Begründung, der Patient macht bei der Einnahmetreue Probleme.

    Unabhängig davon möchte ich noch einmal darauf hinweisen, wie in meiner Antwort vom 13.3.2011 beschrieben, gehören Schilddrüsenhormonprodukte nicht in die Gruppe der Arzneimittel, bei denen eine Substitution problematisch ist. Pharmazeutische Bedenken können hier deshalb nur angemeldet werden, wenn der Patient in seiner AM-Einnahme unzuverlässig ist.

    Hartmut Morck
    Geändert von Prof. Dr. Hartmut Morck (23.12.2012 um 14:25 Uhr)

  6. #6
    Premium-User Avatar von dude
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    b) Henning verordnet, Rabattartikel Henning. Kunde hatte immer 1A. Auch in diesem Fall kann A1 abgegeben und pharmazeutische Bedenken angemeldet werden, mit der Begründung, der Patient macht bei der Einnahmetreue Probleme.

    Aber nur, wenn 1A zu den 3 günstigsten Präparaten gehört, sonst ist es nicht möglich! Der Rahmenvertrag sagt, dass das was aufgeschrieben ist oder eins der 3 günstigsten abgegeben werden darf!

  7. #7
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    Danke für ihre Antworten!
    Also wäre es wahrscheinlich am besten - im Falle b), den Arzt um Änderung des Rezeptes zu bitten - ein Aut Idem Kreuz ist dann ja nicht notwendig wenn im weiteren Verlauf pharm. Bedenken angemeldet werden.

  8. #8
    Premium-User Avatar von dude
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    Zitat Zitat von Prof. Dr. Hartmut Morck Beitrag anzeigen
    Die Frage nach der Austauschbarkeit bei Schilddrüsenhormen ist nicht so einfach zu beantworten, wie es im DAP gemacht wurde. Viele der dort aufgeführten Argumente, wie problematische Resorption in Abhängigkeit mit der Nahrungsaufnahme, Wechselwirkungen und Auswirkung auf zahlreiche Organe sind unabhängig von einem Austausch zu sehen. Natürlich haben wirksamen Schilddrüsenhormene eine enge therapeutische Breite. Das gilt allerdings nicht für das Prodrug Thyroxin (T 4) mit einer Halbwertszeit von 7 Tagen, was normalerweise eingenommen wird. Aus T 4 wird bedarfsgerecht T3 gebildet, das wirksame Hormon mit einer Halbwertszeit von 20 Stunden. Diese Tatsache relativiert die Bioverfügbarkeitangaben zum T4 und auch die "enge therapeutische Breite". Da T4 in T3 mit Hilfe körpereigener Oxydasen überführt wird, wird deutlich, dass die Verfügbarkeit des T3 von der Aktivität der Enzyme und der Wirksamkeit an den entsprechenden Rezeptoren abhängt. Hier liegt auch die pathologische Begründung der Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion. Das heißt, für die Wirksamkeit ist weder die galenischen Form noch das zugeführte T4 verantwortlich zu machen.
    Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Pharmazeutische Gesllschaft (DPhG) in der 2002 erarbeiteten Leitlinie "Gute Substitutionspraxis (GSP)" die Schilddrüsenhormonpräparate nicht in die Gruppe eingeordnet, bei denen ein Substitution kritisch sein kann.
    Trotzdem halte ich es für vernünftig, dass ein Patient, der auf ein Präparat gut eingestellt ist, "sein" Produkt auch weiter bekommen sollte, auch wenn der Placeboeffekt bei Schilddrüsenpräparaten nur eine untergeorndete Rolle spielen dürfte.

    Hartmut Morck
    Wieso wird dann in der Praxis die Dosis erhöht (wenn Werte in Richtung Unterfunktion gehen) von 100 mikrogramm auf 125 z.B. und die Patienten dann bessere Werte erreichen, wenn es doch auf das körpereigene Enzym eigentlich drauf ankommt?

  9. #9
    Premium-User Avatar von dude
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    Würde mich immer noch über eine Antwort von Ihnen freuen Herr Morck!

  10. #10
    Premium-User Avatar von Kristina Verhoeven
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    Die Zeitschrift Pharmazie in unserer Zeit hatte im September ihren Schwerpunkt zum Thema Schilddrüsentherapeutika, ich bin leider noch nicht dazu gekommen, die entsprechenden Artikel zu lesen. Vielleicht erhält man da noch genauere Informationen.
    Viele Grüße
    Kristina Verhoeven

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