Chloralhydrat

[Johannes Lütsch]

Guten Morgen Dr. Morck,

wir haben nur einen Arzt, der (meines Wissens nach) für eine einzige Patientin Chloralhydrat verordnet.
In Österreich wurde es vom Markt genommen, in Deutschland ist es noch verkehrsfähig. Wissen Sie, ob dies in Deutschland auch diskutiert wird?

Mit kollegialen Grüßen
Lütsch
Apotheker

[Prof. Dr. Hartmut Morck]

Sehr geehrter Herr Kollege Lütsch,
mir ist nicht bekannt, dass in Deutschland darüber diskutiert wird, Chloralhyrat vom Markt zu nehmen oder die Zulassung zu widerrufen.
Im Gegenteil: Im Jahre 2006 wurde das Hypnotikum Chloraldurat® von Pohl-Boskamp noch mit dem H.-G.-Creutzfeldt-Arzneimittelpreis ausgezeichnet mit der Begründung, Chloralhydrat beeinflusse weder das Wechselspiel zwischen REM- und Non-REM-Schlaf, noch werde das Konzentrationsvermögen, die motorische Koordination oder die Vigilanz beeinträchtigt.
Auch in den Krankenhäusern erfreut sich Chloralhydrat noch einer gewissen Beliebtheit. Chloralhydrat findet sich unter den Top Ten der in Krankenhausapotheken für Individualrezepturen für Neugeborene und Kleinkinder eingesetzten Arzneistoffen. Außerdem kommt es vor allem bei älteren Patienten zum Einsatz, da diese auf Benzodiazepine teilweise paradox reagieren.
Es gibt aber auch kritische Stimmen, die darauf hinweisen, dass wie bei anderen organischen Halogenverbindungen die Gefahr einer Sensibilisierung des Herzmuskels gegen Catecholamine besteht. Auch Leberschäden werden im Zusammenhang mit Chloralhydrat diskutiert. Aufgrund der Nebenwirkungen und der von ihm ausgehenden Suchtgefahr (sog. Chloralismus) ist Chloralhydrat verschreibungspflichtig. Vom Umsatz her hat Chlroalhydrat heute keine große Bedeutung mehr.

Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Morck