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Thema: Resorption SAR

  1. #1
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    Resorption SAR

    Lieber Herr Behrend,

    ich lerne gerade mit Ihrem (guten) Skript (der Ravati Seminare) "Medizinische Chemie".
    Allerdings ist mir eine Sache nicht klar.
    Dort wo der Einfluss der physiko-chemischen Eigenschaften eines AS auf die Resorption beschrieben wird heißt es im Skript: gemäß den "Lipinski rules of 5"
    Ein Molekül wird schlecht resorbiert, wenn:
    1. Mehr als 5 H-Brücken-Donoren
    2. Mehr als 10 H-Brücken-Akzeptoren
    3. Ein Molekulargewicht > 500 und
    4. Einen log P > 5 aufweist
    Punkte 1 und 2 weisen auf hohe Hydrophilie hin, Punkt 3 auf ein zu hohes Molekülgröße.
    Punkt 4 aber, wenn ich es richtig verstehe auf höhere Lipophilie, da es doch hier um den Octanol/Wasser-verteilungskoeffizeinten geht - oder?
    Warum ist den eine hohe Lipophilie plötzlich schlecht, wenn sie bei 1 und 2 offenbar gut ist..? -Leuchtet mir nicht ein..?!

    LG Ann-Kathrin

    PS: Warum heißt es eigentlich rules of 5 wenn da nur 4 Punkte stehen..?

  2. #2
    Moderatorin Avatar von Maike Noah
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    Guten Abend Frau Deneuf,

    Zitat Zitat von Ann-Kathrine Deneuf Beitrag anzeigen
    PS: Warum heißt es eigentlich rules of 5 wenn da nur 4 Punkte stehen..?
    Rules of 5 heißt es deshalb, weil alle vier Regeln die fünf oder ein Vielfaches von fünf beinhalten.


    Eine
    Zitat Zitat von Ann-Kathrine Deneuf Beitrag anzeigen
    Warum ist den eine hohe Lipophilie plötzlich schlecht, wenn sie bei 1 und 2 offenbar gut ist..?
    Der Arzneistoff muss eine bilayer durchschreiten, er muss also eine gewisse Lipophilie aufweisen. Da diese bilayer aber sowohl lipophile als auch hydrophile Eigenschaften aufweißt, ist eine zu starke Lipohilie des Arzneistoffs (AS) wiederum kontraproduktiv, da der AS nunmal durch die bilayer hindurch treten und sich nicht in ihr anreichern soll!!

    Beste Grüße
    Maike Noah
    Maike Noah, Apothekerin

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  3. #3
    Kompetenz-Manager Avatar von Dr. Christoph Behrendt
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    Hallo liebe Frau Deneuf,

    zurzeit bin ich gerade im Urlaub und deshalb etwas spät mit meiner Antwort. Da aber Frau Noah schon eine korrekte Antwort gegeben hatte, möchte ich noch Detailiierteres zu Lipinskis Regeln sagen.
    Es handelt sich um eine von Chris Lipinski bei Pfizer durchgeführte Zusammenstellung von Faustregeln, die aus im Handel befindlichen Wirkstoffen abgeleitet wurden. Nach systematischer Untersuchung der physikochemischen Eigenschaften von etablierten Wirkstoffen konnten die "rule of five" formuliert werden und in den meisten Fällen sind sie ein sehr nützliches Werkzeug um ADME-Parameter, also v.a. orale Bioverfügbarkeit von Arzneistoffkandidaten aus ERFAHRUNGSWERTEN abzuschätzen.
    Im Allgemeinen sollte ein Wirkstoff nicht mehr als zwei der Faustregeln verletzen, um als hoffnungsvoller Arzneistoffkandidat in weiteren Klinischen Studien untersucht zu werden. Im Prinzip handelt es sich aber nur um einen von vielen Filtern, die zur Abschätzung der ADME-Eigenschaften eingesetzt werden und es gibt einige Ausnahmen, wenn z.B. ein Wirkstoff durch Transportmechanismen aus dem GI-Trakt aufgenommen werden kann (z.B. Peptide oder Kohlenhydrate). Vielmehr kommen viele weitere Kriterien und Computermodelle zum Tragen und weitere experimentelle Daten werden benötigt.
    Zur Antwort von Frau Noah:
    Es ist korrekt, dass ab einer bestimmten Lipidlöslichkeit der Wirkstoff bevorzugte Anreicherung in lipophilen Membranen erlangt.
    Nur kann das a) auch gewünscht sein, wenn der Wirkstoff beispielsweise ein membrangebundenes Protein erreichen soll (Ionenkanal etc.) oder in das ZNS (also über die BHS) gelangen soll und b) werden lipophile Stoffe aus thermodynamischen Gründen sich ab einer gewissen Konzentration natürlich auch aus der Membran in andere Kompartimente wie z.B. lipophile Plasmaproteine (Albumin etc.) verteilen und letztendlich im Körper an verschiedenen Stellen angereichert. Eine große Bedeutung hat in diesem Zusammenhang deshalb auch die AMPHIPHILIE eines Wirkstoffes, d.h. die Löslichkeit sowohl in wässrigem als auch lipophilen Medium. Erreicht wird Amphiphilie z.B. durch das Vorhandensein einer ionisierbaren, also sauren oder basischen funktionellen Gruppe im Molekül. Liegt der pKs-Wert dieser funktionellen Gruppe nahe am physiologischen pH des Blutes (ca. 7.4), dann ist immer gleichzeitig zu gewissen prozentualen Anteilen eine geladene (hydrophile) und eine ungeladene (lipophile) Spezies vorhanden. Damit wird durch das dynamische Gleichgewicht bedingt immer in allen Kompartimenten des Körpers, also auch durch Membranen hindurch, Wirkstoff gut verteilt im Körper vorliegen. Denken sie beispielsweise an Lokalanästhetika, die eine schwach basische Funktion aufweisen, und durch Katamphiphilie sowohl Wasserlöslichkeit als auch Lipidlöslichkeit aufweisen können. Da Ihre Zielstruktur (Na-Kanal) intrazellulär liegt, müssen die Moleküle auch in der Lage sein, Membranen zu überwinden, um zur Bindestelle zu gelangen. Andererseiits müssen die Wirkstoffmoleküle auch in einem gewissen Ausmaß wasserlöslich sein, um sich intrazellulär verteilen zu können. Das Gros aller Arzneistoffe weist eine schwach basische oder schwach saure Gruppe auf, wobei der pKs-Wert sich sehr häufig an 7 herum orientiert. Wegen der unterschiedlichen pH-Werte im Magen und Darm liegen für Neutralstoffe, Säuren und Basen an irgendeiner Stelle des Verdauungstraktes Bedingungen vor, bei denen sie gut absorbiert werden. "Sehr lipophile Verbindungen erfordern eine differenzierte Betrachtung der pH-Absorptionsprofile. Die Neutralformen dieser Substanzen treten in der Nähe der Membran sofort in die Lipidphase ein. Dem in der Wasserphase eingestellten Dissoziationsgleichgewicht wird dadurch ständig die Neutralform entzogen. Über eben dieses Gleichgewicht wird sie aber auch sehr rasch wieder nachgeliefert. (...) Die kleine Menge ungeladener Neutralform ist die Drehscheibe, über die sich der Vorgang abspielt." Die Geschwindigkeit des Übergangs in die Lipidschicht hängt insbesondere von a) der Gesamtkonzentration der Verbindung, b) den Geschwindigkeitskonstanten des Dissoziationsgleichgewichts und c) der Diffusionskonstante der Verbindung ab (ganz wichtige Punkte!). "Dementsprechend werden in einem biologischen System für lipophile Säuren und Basen Verschiebungen der pH-Absorptionsprofile gegenüber den pH-Verschiebungsprofilen beobachtet, die man als pH-shift bezeichnet. Dieser erfolgt immer in Richtung zum Neutralpunkt, d.h. bei Säuren zu höheren und bei Basen zu niedrigeren pH-Werten. Je größer die Lipophilie einer Säure oder Base ist, desto größer ist die beobachtete Verschiebung des Absorptionsprofils. Für die Beurteilung der Frage, wie gut eine Substanz absorbiert wird, dürfen der log P-Wert und der pKa-Wert also NICHT ISOLIERT betrachte werden. Entscheidend ist Ihr Zusammenwirken. Für das Design neuer Wirkstoffe bedeutet dies, dass ein an sich ungünstiges Verteilungsverhalten einer Substanz mit sehr hohem oder sehr niedrigem pKa-Wert durch Erhöhung der Lipophilie durchaus in die gewünschte Richtung verändert werden kann."
    Als Ergänzung zum Verteilungskoeffizienten P betrachtet man deshalb besser den DISTRUBITIONSKOEFFIZIENTEN D. "Hierzu setzt man die Summe aller Konzentrationen ionisierter und nichtionisierter Formen einer betrachteten Verbindung in den zwei Phasen ins Verhältnis:
    log D [Octanol/Puffer, meist pH 7.4] = log [Summe der Konz. (gelöster Stoff in Octanol, ionisierte/nicht-ionisierte Formen) / Summe der Konz. gelöster Stoff in Puffer, ionisierte/nicht-ionisierte Formen)].
    Bei der Messung wird der pH-Wert mit einem Puffer so eingestellt, dass die untersuchte Verbindung bei ihrer Zugabe den pH-Wert nicht verschiebt. Diskutiert wird in der Regel log D, der Logarithmus dieser Größe."
    Ich habe aus dem Wirkstoffdesign-Buch (Klebe) zitierte Stellen in Anführungszeichen gesetzt, da ich es nicht besser formulieren könnte (und kein Plagiat vornehme :-)). Ich hoffe aber, dass ich Ihnen die Komplexität der Absorption von Wirkstoffen darlegen und aufzeigen konnte, dass die Lipinski-Regeln kein Gesetz darstellen (wie so häufig für vom Menschen formulierte Regeln ;-))
    Beachten Sie weiterhin, dass die Größe der Lipophilie auch für den Metabolismus (grob: je lipophiler, desto mehr CYP-Metabolismus und potenziell toxische Metabolite) oder die Ausscheidung eine Rolle spielt. Letzteres wird dadurch unterstrichen, dass sehr lipophile Verbindungen mit einem Molekulargewicht >500 Da rasch absorbiert werden, aber biliär wiederum auch schnell eliminiert werden (first-pass-Effekt). Darin wird auch deutlich, dass Lipinskis Regeln eine grobe Beurteilung der Bioverfügbarkeit und nicht allein der Absorption zulassen sollen!

    VG
    Christoph Behrendt
    Dr. Christoph Behrendt, Apotheker, Ihr Experte im Forum Pharmazeutische Chemie (v,a, Hauptstudium)
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